Verstreute Dörfer, dunkle Geschichte, gefährliche Einfärbungen
- Tag: Dienstag, 30. Juni
Strecke: Brünn – Rajhradice – Židlochovice – Pohořelice – Ivan – Brod nad Dyjí
Kilometer: 56
Im Garten des Augustinerklosters St. Thomas in Alt-Brünn erinnert ein Gedenkstein an die vertriebenen deutschsprachigen Einwohner_innen der Stadt. Es ist wenig Betrieb im Klostergarten, ein junger Tscheche hinterlegt einen Blumenstrauß mit schwarz-rot-goldener Schleife.
Entlang des Flusses Svratka führt ein gut ausgebauter Radweg raus aus der Stadt. Stadtausfahrten gleichen Stadtzentren, nur anstatt Fleischlaberlkaiser und Designertrash verschandeln Möbelgiganten und Heimwerkertempel die Umgebung. Irgendwann nimmt die Dichte ab und es erstrecken sich Felder bis zum Blickende. Es geht durch verstreute Dörfer, Schrebergärten und tschechische Landwirtschaft. Nach Židlochovice, eine Abzweigung vom EuroVelo 9 (Ostsee-Adria-Radweg) Richtung Pohořelice. Raus aus der Idylle, zurück in die schwarze Zeitgeschichte. Die meisten Gräber des Brünner Todesmarsches sind cht gekennzeichnet, eine Ausnahme machen neun in Dreiergruppen angeordnete Steinkreuze auf einem Acker nahe Pohořelice. Seit 2015 führen Versöhnungsmärsche (www.meetingbrno.cz/de) vom Massengrab in Pohořelice zurück in den Augustinergarten in Alt-Brünn.
Weg vom Tod zurück ins Leben führt eine Schotterstraße über Weinebenen ins Dorf Ivan. Das Weingut Holánek erhellt mit bekömmlichen Tröpferln und einem unvergesslichen Fleisch-Schmalz-Sulz im Einwegglas die angeschlagene Gedankenwelt.
Inzwischen haben alle nicht von Stoff bedeckten Extremitäten eine ungesunde Rotfärbung angenommen. Gestern nicht im Spiel, läuft die gelbe Sau heute zur Bestform auf. Eine gemäßigte Abfahrt führt über Pasohlávky und die Thaya, die sich zum See ausbreitet nach Brod nad Dyjí. Dort steht heute auf einem versteckten Campingplatz das mobile Wohnheim: Die Vogerl zwitschern, die Katzerln streunen, ein Flascherl Veltlínské Zelené steht am Tisch!