Walled City, Bloody Sunday und Free Derry


 

6. Tag: Freitag, 19. Juli

Derry/Londonderry

Ein großer Abend mit Hindernissen: Die Küchen sperren ortsübergreifend um 21 Uhr. Ein Burger ist sich gerade noch ausgegangen. Zum Tagesabschluss eine Derry-Pub-Runde: Im «Peadar O’Donnell’s» gibt es jeden Abend irische Live-Musik, auch alle Tourist_innen wissen das. Das Lokal ist bummvoll, viel Bier, viele Selfies, viel Folklore, eine tapfere und gleichfalls wunderbare Band. Im «The Bogside Inn» hingegen ist gerade einmal die Bar spärlich besetzt. Von den Deckenstreben erinnert ein Bobby-Sands-Sager – «Our revenge will be the laughter of our children». Einer und eines geht sich noch aus, ein «letzter» Whiskey, ein «letztes» Guinness in der «Oakgrove Bar», eine einfache Nebenan-Kneipe. Keine Tourist_innen, zwei Alleinunterhalter, Pub-Spiele, … der Rest würde zu weit führen!
Nach dem Irish-Breakfast wird schweren Herzens das Bett gewechselt, leistbare Betten in Derry sind rar. Heute gehört der ganze Tag der Stadt am River Foyle. Derry wird aufgrund seiner begehbaren und bestens rausgeputzten Stadtmauer auch «The Walled City» genannt. Einmal die eineinhalb Kilometer im Kreis gelaufen und Derry ist überblickt, sowohl der historische Stadtkern als auch die Viertel rundherum. Derry war auch ein trauriger Hauptschauplatz im Nordirland-Konflikt. Am 30. Jänner 1972 wurden bei einem friedlichen Bürgerrechts-Demonstrations-Marsch 13 Menschen von britischen Soldaten erschossen! In der Bogside (Katholisches Viertel) auf der Rossville Street befindet sich heute der «Free Derry Corner». Murals (Wandmalereien), ein Museum und die zum Symbol des Widerstands gewordene Hausfassade – «You are now entering Free Derry» – erinnern an den «Bloody Sunday».
Nur so nebenbei, nach einem trockenen Vormittag ist der Regen zurück. Der Stadtrundgang wird durch einen Pub-Besuch unterbrochen. Noch einmal kreuz und quer durch die Stadt, bis zum nächsten Regenguss, bis zum nächsten Guiness. Heute gibt es nur eine kurze abendliche Zerstreuung, ab morgen wird wieder in die Pedale getreten!

Eine Wende, Pflicht statt Kür und Haushaltsprogramm in Derry


5. Tag: Donnerstag, 18. Juli

Strecke: Giant’s Causeway – Portrush – Portstewart – Limavady – Derry

Streckenlänge: 74 km

Irgendwann ist der Schalter dann doch noch gekippt und die Sonne gibt ein spätes Gastspiel. Glück im Unglück, der Starkregen hat alle Besucher_innen vom «Giant’s Walk» weggespült. Unzählige Pfade führen über 5 Kilometer über den «Damm der Riesen». Eine letzte, hartnäckige Besucherin bringt es auf den Punkt: «What a wounderful evening, isn’t it!» Eingeweicht, aber mit dem Tag versöhnt, findet sich auch noch ein geeigneter Zeltplatz mit Tisch und Bank für die Campingküche.
Der Tag beginnt mit Morgensonne, kurz darauf brechen wieder die Wolken. Dieses Spiel soll sich heute noch mehrfach wiederholen – Sonne, Wolkenbruch und dazu immer wieder ein Regenbogen. Das irische Wetter ist unberechenbar, vier Jahreszeiten an einem einzigen (Sommer-)Tag! Bushmille samt seiner Whiskey Destillery lasse ich links liegen, das Dunluce Castle schaut im Internetz auch viel aufregender aus und dann noch «The Open»! Die Region um Portush ist gerade im Ausnahmezustand, alles dreht sich um in Löcher zu schlagende kleine Bälle. «Nordirland is made for Golf!», verspricht die Werbung, das schaut so aus: der Atlantik, ein Golfplatz, eine Hauptstraße und daneben Wohncontainer für alle Golfdeppen.
Schnell weiter, weg von der Golf-Küste, gleich direkt nach Derry (oder auch Londonderry). Ein steiniger Weg – Hauptstraße, Blechlawine, landschaftlicher Stillstand, weitere Unwetter – das fällt nicht unter Kür, es wird ein knapper Pflichtsieg. Derry hat schon bei der Stadteinfahrt gewonnen, ein wunderbarer Radweg führt bis ins Zentrum und überhaupt – Small, beautiful, revolutionary, workingclass! – und ein gemachtes Bett (leider nur für eine Nacht) war auch noch frei. Morgen mehr über Derry, heute stehen Wäsche trocknen, Körper pflegen, Nahrungsaufnahme und Erfrischungsgetränke auf dem Programm!