Verregneter Abschied, schdromaufwärts und eine Zusammenfassung


  1. Tag: Freitag, 8. Oktober

Strecke: Bezdan (SRB) – Budapest (HU) – Wien (A)

Streckenlänge: 448 km

Das Frühstück wird im Vierrad konsumiert, Fenster zu, Regentropfen verstellen einen klaren Blick auf den Schdrom. Der Rest ist schnell erzählt: rauf auf das graue Band, immer die Donau entlang, schdromaufwärts, durch Ungarn durch, rein in eine politische Krise, bis zur Abfahrt Wien/Erdberg, …
Zu Hause haben sich die Ereignisse überschlagen, was auch immer passiert, eine LINKSwende muss her!

In diesem Sinne eine kurze Zusammenfassung:

Reisetage: 20

Länder: Österreich, Ungarn, Serbien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Türkei und retour.

Übernachtungen: 7 Nächte im Zelt, 12 Nächte im gemachten Bett

Gefahrene Kilometer: 4.459

Vielen Dank für‘s Mitreisen/-lesen …,
bis zur nächsten Ausfahrt!
Alles Liebe
Mario

Ein aufgebrachter Schdrom, Wehmut und das letzte Abendmahl


  1. Tag: Donnerstag, 7. Oktober

Strecke: Stari Slankamen – Novi Sad – Apatin – Bezdan

Streckenlänge: 164 km

Der Wind ist nicht zu beruhigen, der Schdrom ist aufgebracht. Ein Teil der für heute angedachten Strecke ist bereits abgefahren, das vergrößerte Zeitfenster wird in vermehrte Erfrischungspausen investiert. Eine kulturelle Pause bringt die Festung Petrovaradin hoch über dem Schdrom mit einem besonderen Blick auf Novi Sad. Der vorletzte Tag lässt Wehmut aufkommen, die trübe Großwetterlage hilft kräftig mit und auch die Lieblingsplätze strahlen nicht wie gewohnt. Einzig die Pikec Čarda, Start- und Endpunkt direkt am Schdrom, kann die Stimmung trotz Regen anheben. Diesmal nicht unter freien Himmel, diesmal in der Stube, ein letztes Abendmahl mit Live-Musik und Fischgulasch.

Wieder an Schdrom, Wind aus allen Richtungen und Planen unmöglich


  1. Tag: Mittwoch, 6. Oktober

Strecke: Belogradschik – Vidin – Bregovo (BUL) – Negotin (SRB) – Donji Milanovac – Golubac – Ram – Belgrad – Stari Slankamen

Streckenlänge: 460 km

Den zweiten Rückreisetag dominiert der Wind. Kein Rückenwind, kein Gegenwind, es bläst aus allen Richtungen. In Vidin gibt es nach fast zwei Wochen ein Wiedersehen mit dem Schdrom. Vidin liegt in einem Dreiländereck eingebettet, nördlich, sowie am gegenüberliegenden Ufer wird rumänisch gesprochen, ein Stück weiter westlich serbisch. Die Donauuferpromenade ist das reizvollste an der Stadt, Leben möchte man hier lieber nicht, es bröckelt an allen Ecken und Enden. Ein Grenzübertritt ohne langen Aufenthalt und nach einem Abstecher ins Landesinnere rollen die Räder durch den Nationalpark Đerdap zurück zum Schdrom. Zwischen serbischen und rumänischen Donauufer ist der Schdrom am reizvollsten. Der Fluss durchbricht die südlichen Karparten, breitet sich aus zu Seenlandschaften und verdünnt sich zu schmalen Durchbrüchen. Die Festung Golubac bäumt sich auf und später unterhalb der Festung von Ram, inzwischen liegt beiderseits der Donau wieder serbisches Festland, führt eine Autofähre ans gegenüberliegende Ufer. Heute nicht, der starke Wind macht den Schdom unpassierbar. Somit wird eine Weiterfahrt nach Bela Crkva verunmöglicht. Die Reise bleibt unplanbar, auf Umwegen, inzwischen bei Kunstlicht, durch das herausfordernde Belgrader Autobahnkreuz, bis zu einer weiteren Herzstation, der kleinen Ortschaft Stari Slankamen, dem heutigen Zielhafen.

Ein letzter Blick auf’s Schwarze Meer, Rückreisemarathon und ein gemütlicher Tagesausklang


  1. Tag: Dienstag, 5. Oktober

Strecke: Burgas – Sofia – Belogradschik

Streckenlänge: 537 km

Burgas, die Industrie- und Hafenstadt am Schwarzen Meer, ist freundlicher als ihr Ruf, nach einem Morgenspaziergang beginnt der Rückreisemarathon. Kein Tag für Feingeister, rauf auf die Autobahn, der Bleifuß klebt am Gaspedal, Kilometer werden gefressen. Ab Sofia wird der Highway gegen eine Landstraße getauscht. Eine kurvenreiche Strecke führt in den nordwestlichen Zipfel Bulgariens. Ein Zeltplatz mit angeschlossenem Gasthaus lassen einen harten Arbeitstag gemütlich ausklingen.

Geografische Endstation, Zielhafen des Herzens und Badeschluss am Sonnenstrand


  1. Tag: Montag, 4. Oktober

Strecke: Istanbul – Kirklareli (TR) – Tsarevo (BUL) – Burgas

Streckenlänge: 385 km

Die Möwen kreisen am Himmel und das Frühstück auf der Dachterrasse sorgt für Wehmut, Istanbul war die geografische Endstation.
Die Stadtausfahrt gelingt ohne Aufregungen, ist der Ballungsring der Stadt erst einmal durchbrochen, beginnt eine einsame nahezu verkehrsfreie Reise zur Endstation des Herzens. Dazwischen liegen die türkische Kleinstadt Kirklareli, ein unproblematischer Grenzübertritt, die Rückkehr auf kriminelle Sraßenbeläge und eine einsame, landschaftlich reizvolle Fahrt ans Schwarze Meer. Mit Tsarevo ist auch derZielhafen des Herzens erreicht. Schon 2016 war Tsarevo das Ziel der «Vorhang-Auf-Tour», entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Ein Erfrischungsgetränk an den Klippen, das Meeresrauschen, die Gedanken fliegen lassen …
Der schöne Moment des Ankommens währt nicht lange: Badeschluss am bulgarischen Sonnenstrand! Alles dicht, die Lokale, die Märkte, die Campingplätze. Die Küste gleicht einem grauen Betonfriedhof am blauen Meer. Letzte Ausfahrt Burgas, ein Bett, ein Essen und gute Nacht.

Mit Öffis durch die Stadt, der Prenzlauer Berg von Istanbul und Aufregung bis zum Schluss!


  1. Tag: Sonntag, 3. Oktober

Strecke: Istanbul

Streckenlänge: Stadtflanerie

Sonntag morgen, die Metropole hat den vergangenen Tag verdaut, die Hölle schläft noch. Mit der Straßenbahn zum Bosporushafen, mit dem Fähre nach Beşiktaş und einen Kontinent weiter nach Üsküdar auf den asiatischen Teil der Stadt. Tee trinken, die Promenade entlang, noch einen Tee und zurück ins Abendland. Die Hügel von Beşiktaş rauf und runter. Inzwischen ist die Stadt wieder munter, mit ihr auch alle 15 Millionen Menschen. Istanbul hat viele Gesichter, Beşiktaş zeigt sein lebendigstes, der Prenzlauer Berg von Istanbul. Die Jugend verschwendet sich in den Gassen und ihren Cafes. Durch den Gezi-Park, über den Taksim-Platz zur İstiklal Caddesi. Menschentrauben hängen an der Nostalgiestraßenbahn inmitten der Haupteinkaufsstraße. Das 360-Grad-Restaurant bietet teuren Wein und den besten Rundumblick, inklusive allen Attraktionen der Stadt. Zurück am Wasser, in einer Nussschale schwimmend, rüber über das Goldene Horn und mit der Staßenbahnlinie T1 zurück zum Hotel. Beim letzten Abendessen in Fatih stoppt ein Polizeieinsatz eine Schießerei. Istanbul bleibt aufregend!

Durch die Hölle, alles Bazaar und Entspannung am Bosporus


  1. Tag: Samstag, 2. Oktober

Strecke: Edirne – Istanbul

Streckenlänge: 236 km

Im Frühstücksraum randaliert eine Einkaufsgesellschaft bestehend aus einer Busladung griechischer Pensionistinnen.
Die vorherrschende Wetterlage bestimmt den Zielhafen, der Sonne entgegen, auf zum Goldenen Horn! Eine Schnellstraße teilt die karge, hügelige Landschaft zwischen Edirne und Istanbul, die Verkehrssituation ist entspannt. Mit Annäherung an die Megacity ändert sich das Bild, aus der farblosen Umgebung wachsen unzählige Schlafburgen in den Himmel, Konsumpaläste schließen sich an, eine Skyline des Grauens. Das Verkehrsaufkommen nimmt rapide zu bis alles steht. Im Schritttempo geht es von den Trabantenstädten ins erweiterterte Zentrum. Straßensperren verhindern eine Ankunft im angepeilten Hotel. Die Lage ist aussichtlos, mitten im Großraumbazaar von Fatih herrscht absoluter Stillstand. Kein Bett in Sicht, es gibt kein vor und kein zurück und auch die Regenwolken haben uns eingeholt. Für die Bewältigung der letzten acht Kilometer bis zu einer rettenden Parkgarage samt naheliegenden Zimmer verpuffen ganze vier Stunden …
Die Dimension Metropolregion Istanbul ist schwindelerregend, 15 Millionen Einwohner_innen drängen sich auf 5.000 Quadratkilometern.
Nachdem Fahrzeug und Gepäck versorgt sind beginnt der Wahnsinn auf‘s neue, diesmal zu Fuß, fünf der fünfzehn Millionen Menschen haben den gleichen Weg, alle wollen runter zum Fluss. Die Umstände entspannen sich bei einem Erfrischungsgetränk auf der Galatabrücke: Boote aus allen Richtungen schaukeln von Ufer zu Ufer, die Gebetstürme färben sich künstlich in der Dämmerung und die Angelschnüre der Bosporusfischer zittern vor den erschöpften Augen.

Ein Kurzbesuch, Grenzkalamitäten und türkische Kopfhaarpflege


  1. Tag: Freitag, 1. Oktober

Strecke: Plovdiv – Dimitrowgrad (BUL) – Edirne (TR)

Streckenlänge: 186 km

Ein Ruhetag in Plovdiv ohne Ruhe und weiter geht die Reise. Eine Fernstraße führt Richtung Marmarameer, als Zwischenstopp noch ein Kurzbesuch bei Genossen Georgi Dimitroff, diesmal in Bulgarien.
Das bulgarische Dimitrowgrad wurde als erste sozialistische Musterstadt in Bulgarien konzipiert und ab 1947 aus dem Boden gestampft. Erinnerungen an den strammen Kommunisten und ehemaligen bulgarischen Ministerpräsidenten sind inzwischen aus dem Stadtbild verschwunden. Eine Planstadt mit einem breiten Boulevard, nur der einstige Glanz ist mit dem Jahren abgebröckelt.
Zurück am grauen Band wartet bald die bulgarisch-türkische Grenze. Alle Papiere bei der Hand, liegt das Problem bei der mitgeführten Versicherungskarte. Die Türkei, sprich das Kasterl mit «TR» ist ausgestrichen, somit nicht versichert. Anstellen um eine Versicherung, anstellen um einen Stempel, …, die türkischen Beamten haben alle Zeit der Welt.
Nach dem Müßiggang in Dimitrowgrad, nach dem Stillstand an der Grenze, zeigt sich in Edirne ein ganz anderes Bild: Alles dreht sich, alles bewegt sich. Eine Moschee reiht sich an die nächste, mit Menschen gefüllte Füßgängerzonen, Bazaare, gut besuchte Teehäuser, laut hupender Straßenverkehr und über allem brüllt der Muezzin.
Wie schon beim letzten Besuch in Edirne wird auch diesmal Gesichts- und Kopfbehaarung stylisch in Form gebracht.

Sieben Hügeln, keine Ruhe und die Top-Fünf von Plovdiv


  1. Tag: Donnerstag, 30. September

Strecke: Plovdiv

Streckenlänge: Stadtflanerie

Plovdiv, eine Stadt auf den sieben Hügeln. Eigentlich ist der heutige Tag als Ruhetag angedacht, aber … Einmal kreuz und quer durch die Stadt, Hügel rauf und Hügel runter, durch die Altstadt, durch die Fußgängerzone, ein Abstecher zum Fluss Maritsa, … die Ruhe bleibt auf der Strecke.
Wie die meisten anderen Balkanstädte hat auch Plovdiv einen Kauderwelsch an Stilen. Von antik bis modern und alles was dazwischen so reinpasst.
Die Top-Fünf von Plovdiv:
Archeologischer Park am Nebet Berg. Ein antiker Steinehaufen mit dem besten Zentrumsblick auf die Stadt.
Das antike Theater. Auf einem Hügel in der Altstadt, die alten Römer genossen Brot und Spiele über dem damaligen Philippoupolis.
Das römische Stadion. Ein kleiner erhaltener Teil lässt die ehemaligen Ausmaße erahnen. Der Rest der hufeisenförmigen Arena liegt unter der heutigen Fußgängerzone begraben. Gleich daneben aus der osmanischen Zeit die Dschumaja-Moschee.
Der Uhrturm. Nicht nur Graz hat einen, der aus Plovdiv steht am Danov Hügel, eine Oase mitten im Zentrum.
Der Befreier Hügel: Und schon wieder ein Hügel, von den bisher erwähnten der höchste. Oben drauf steht die Statue des Russischen Soldatens. Der verwildertste Aufstieg (nicht die Serpentinen nehmen), der beste Rundumblick auf Stadt und Umgebung.

Zauberbrücken, eine Festung und zurück in der Zivilisation


  1. Tag: Mittwoch, 29. September

Strecke: Breze – Shiroka Laka – Pamporovo – Wonderful Bridges – Festung Assenow – Plovdiv

Streckenlänge: 137 km

Die Rhodopen bleiben trotzig und zeigen ihr sprödes, regennasses Gesicht. Ein Tal folgt dem anderen, ein ausgestorbener Wintersportort, die Bäume tragen herbstlich bunte Blätter und der Nebel hängt tief. Eine Abzweigung verspricht «Wonderful Bridges», ein abenteuerlicher Pfad führt begleitet von einem Fluss durch eine bewaldete Schlucht. Am Weg sorgen Brunnen für frisches Quellwasser und eine ältere Frau bittet um eine Mitfahrgelegenheit. Ihr Stand am Einstieg zu den Zauberbrücken führt Honigprodukte, Tee, Marmeladen und warme Socken. Potentielle Käufer_innen sind keine vor Ort.
Außergewöhnliche Felsformationen bilden eine Brücke über ein Wildwasser. Der Brückenkopf gibt einen Dach für eine Jause, dahinter beginnt der Nebelwald.
Die Festung Assenow am Beginn des Rhodopen-Gebirges ist die letzte Zwischenstation auf dem Weg nach Plovdiv, der europäischen Kulturhauptstadt von 2019. Auf eine Woche Höhenluft folgt die Erdung in der Zivilisation.