1.000 Gelsen, Rentierwürste und nasse Wäsche


5. Tag: Freitag, 22. Juni

Strecke: Inarisee – Kaamanen – Inari

Streckenlänge: 67 km

Nachtrag: Fast aufgetrocknet streifen wir, spät aber doch, unsere Regenhosen über. Das Wasser scheint den Wolken nicht auszugehen. Abendessen am See, der «Konsti-Monsti» wird nach seinem ersten Kocheinsatz, es gibt angebrannte Nudeln Marke «Quatro Formaggi», gleich wieder abgesetzt und zum Abwasch verdonnert! Auf der Straße keine Menschen, keine Orte, nur Rentiere lassen sich ab und zu blicken. Das Problem mit den Rentieren, bis die Kamera umständlich aus der Tasche gezogen und schussbereit ist, sind die dummen Viecher längst eine Wolke. Die 24 Stunden Dauerbeleuchtung hat auch Vorteile, es gibt keinen Zeitstress bei der Schlafplatzsuche. Diesmal stehen unsere mobilen Häuser auf einem Hang über dem Inari-See. Alle 3.000 Inseln des sechstgrößten Binnensees Europas lassen sich von unserem Hochsitz aus nicht überblicken, das Bild ist dennoch großartig! Das Paradies hat nur einen Haken: Tausend Gelsen! Oder wie Ernst Molden singt «Dausnd Göösn a Woikn aus Duascht». Die Wiener Lobau ist schlimm, Lappland ist schlimmer!

Die Biester sind in der Früh immer noch aktiv. Heute ist es im Vergleich zu gestern nur ein Katzensprung von 60 Kilometern nach Inari. Die Landschaft hat sich seit gestern nicht verändert –Bäume, Wasser, Bäume, Wasser. Rentiere gibt es heute keine, dafür einen Fuchs und ungläubige Menschen: «Durch Finnland? Wie, mit dem (Rad)!»
Gelandet in Inari, dem Zentrum der finnischen Sámi-Region (indigenes Volk im Norden Skandinaviens), beziehen wir zum ersten Mal ein Häuschen auf einem Campingplatz. Holzbauweise und absolut passend zu unserer «Vorhang-Auf-Tour», Stockbett, Zustellbett, Kochnische, alles wie noch aus den Zeiten vor dem Fall. Sehr ehrlich. Ein weiteres Highlight: Zum ersten Mal richtige Körperpflege! Unser Abendprogramm: Ein Erfrischungsgetränk mit dem übererfrischtem Ari im lokalen Pub und in unserer Hütte kommen heute Rentierwürste in die Pfanne! Einen Schönheitsfehler gibt es auch heute: Inzwischen schüttet es aus offenen Schleusen und unsere Wäsche hängt noch vor dem Häuschen, während wir uns in der Dorfkneipe vergnügen!

Norwegen Baba, klarer Punktesieg für Finnland und auftrocknen im Camping-Resti


4. Tag: Donnerstag, 21. Juni

Strecke: Neiden – Näätämö – Sevettijärvi – irgendwo am Inari-See

Streckenlänge: 98 km

Die Frühtemperaturen erreichen satte 7 Grad und der Instant-Kaffee wärmt die klammen Körper von innen. Die Zeltstadt ist verstaut und wir verlassen fluchtartig das trostlose Neiden. Es fehlen noch 10 Kilometer, dann wird auch Norwegen der Rücken gekehrt und es wartet Finnland. Das Match Finnland gegen Norwegen steht nach wenigen Kilometern 3:0. Das 1:0 fällt kurz nach Grenzübertritt: Vier Rentiere empfangen uns am Wegesrand und ein Heimwerkermarkt sorgt für eine frische Gas-Kartusche – 2:0. Wenig später das 3:0 – ein Supermarkt wo wir die letzten norwegischen Kronen verprassen – Yes! Ein graues Asphaltband mit weißen Begrenzungslinien führt stur und meist schnurgerade durch die sich ständig wiederholende Landschaft: Bäume, Wasser, Bäume, Wasser. Das Problem mit dem Wasser ist nur, es breitet sich nicht nur rechts und links der Straße aus, es kommt auch von oben. Angefangen hat alles mit einem vernachlässigbaren zarten Sprühregen der in Folge immer mehr in Fahrt kommt und in einem ausgeprägtem Landregen gipfelt. Es gibt einen Plus-Punkt für Norwegen, Spielstand am frühen Nachmittag 3:1.
Eine Nachricht an die Liebste/Mutter: «Wir haben schon wieder auf unsere Regenhosen vergessen!» Die vermeintliche Antwort klingt im Ohr: «Depperter Liebster, blöder Bub!»
Auf einem Camping-Platz mit Netzzugang lassen wir uns auftrocknen. Der Tagesausgang bleibt ungewiss und wird morgen nachgereicht.

Nur noch 7 Mal schlafen


Montag, 11. Juni

Die Räder sind getuned (Danke Dominik/Cooperative Fahrrad!), die Camping-Ausrüstung aufgestellt, um Kochgerätschaften erweitert und auch die neue Regenhaut sitzt perfekt (Danke Mirjam & Robert/Treksport!) Darüber hinaus hat Freund Dieter seine Angelausrüstung zur Verfügung gestellt – Danke sehr vielmals! Bis dato hatte ich noch keinen Fisch an der Leine und die freche Verwandtschaft hat gespottet: «Dann kauf dir doch einen!» Diesmal muss es klappen, die Alternative heißt: hungern!
Und, ich habe einen jungen Reisebegleiter, mein «Buam» Konstantin, Rufname «Konsti-Monsti».
Ab kommenden Montag geht es über Oslo nach Kirkenes und von dort an den letzten norwegischen Zipfel, unseren offiziellen Startpunkt direkt an der russischen Grenze an der Barentssee. Die Strecke von St. Petersburg bis zum Schwarzen Meer immer entlang des ehemaligen «Eisernen Vorhangs» (EuroVelo 13) ist bereits abgeradelt, jetzt fehlen nur noch die letzten 2.000 Kilometer von Grense Jakobselv/Barentssee (NOR), durch ganz Finnland bis St. Petersburg (RUS). Nur noch 7 Mal schlafen, dann lassen wir die Räder rollen!

Aufsteigen und mitradeln, begleitend zur Reise gibt es – so das Internetz will – einen täglichen Blog.

Alles Liebe
Mario