Schneewittchen, ein Schmuckkasterl und eine Kurzstrecke auf Umwegen


  1. Tag: Dienstag, 19. September 2023

Strecke: Poysdorf – Poysbrunn – Drasenhofen – Mikulov – Brod nad Dyje

Streckenlänge: 45 km

Der in den Morgenstunden einsetzende Regen verzögert die Abreise. Die Zeltwände haben bei der nächsten Station noch genug Zeit aufzutrocknen.
Spätestens ab Poysdorf regiert der Wein das Landschaftsbild. Eine immer wiederkehrende Hürde ist die Frage Radwege versus Bundesstraßen. Erstere zeigen sehr viel Gegend und erhöhen die Kilometerleistung, zweitere führen direttissima zum Ziel, dafür quält der motorisierte Verkehr. Eine Kombination von beiden Varianten sorgt ab und zu für Missverständnisse und so rollen die Räder ungewollt durch das Märchendorf Poysbrunn. Am Straßenrand sorgen Zwerge und das Schneewittchen für Stirnrunzeln. Zurück auf die Hauptroute begleitet der Schwerverkehr in Richtung Grenzübergang Drasenhofen. Der ehemalige Eiserne Vorhang wird durchschnitten und es wartet das Schmuckkasterl Mikulov. Die südmährische Stadt liegt unmittelbar an der Grenze, kann mit einem Schloss, einer ansehnlichen Altstadt und einem heiligen Berg samt Kreuzweg auftrumpfen. Am Stadtplatz versammeln sich Horden von E-Biker_innen und laben ihre Akkus mit tschechischem Bier.
Die Verpflegungsstationen häufen sich und so verkommt der Tag zu einer ungeplanten Kurzstrecke. Auf Umwegen, ein kleines Stück den Iron Curtain Train entlang, danach auf Landstraßen durch die Dörfer, führt die Reise nach Brod nad Dyje. Das Zelt darf auftrocknen, Rad und Fahrer werden gepflegt.

Zusammenfassung: Fasten in einer Genuss-Region


Sonntag 29. Jänner

Karte

Zeitig in der Früh haben wir unsere Hungerburg Richtung Wien verlassen. Obwohl, Mikulov sowie die Region Lednice-Valtice sind ein kleines Stück vom Paradies, zum Wandern, zum Radfahren, zum Weinverkosten, aber Fasten in einer Genuss-Region ist eine harte Nuss. Zurück nach Hause trieb uns die Aussicht auf einen Apfel zu Mittag, Erdäpfel am Abend, die eine oder andere Tschick. Und vielleicht auch ein kleines Bierchen?
Zusammengefasst: 6 Fastentage, zwei Radausflüge, 10 Wanderungen/Spaziergänge und 4,2 am Eisernen Vorhang hängengebliebene Kilo. Weiters der Vorsatz etwas maßvoller mit den „guten Dingen“ des Lebens umzugehen.

Servus, baba, die nächste Etappe entlang des Eisernen Vorhangs führt von Travemünde an der Ostsee zurück nach Wien und startet Mitte Juni.

Wunschträume, Pollauer Berge und ’s scheene Lebm


Freitag 27. Jänner

Schön langsam wird es zach. Gedanklich sind wir schon längst zu Hause bei der ersten Nahrungsaufnahme, beim ersten Bier, bei der ersten Tschick. Nur der morgendliche Sonnenschein spendet Trost. Als Alternative zu Kalorien und Nikotin, eine Radtour und viel frische Luft. Es lockt das Landschaftsschutzgebiet Pálava und die Pollauer Berge. Das Pausengetränk als Belohnung für erkämpfte Anstiege bleibt der Kräutertee. Nur noch zwei Tage! Nach der Mittagszeremonie führt der Wille noch einmal in die harmonische Hügellandschaft der Pollauer Berge, diesmal zu Fuß. Am Höhepunkt der Schneewanderung stehen wir am Plateau der höchsten Erhebung, Děvín (Maidenberg, 554 m), mit dem Blick auf das „südmährische Meer“, die aufgestaute und zugefrorene Thaya. Scho schee ’s Lebm, auch in mageren Zeiten.

Schneefahrbahnen, Grenzblicke und das südmährische Meer


Mittwoch 25. Jänner

Tag drei, der Magen ist leer, der Hunger ist weg, nur der Gusto geistert durch die Gedanken. Es ist an der Zeit das Brompton zu entfalten um die Genusssucht im Kopf zu vertreiben. Am Grenzübergang Valtice – Schrattenberg, 14 Kilometer südöstlich von Mikulov, beherbergt das ehemalige tschechische Grenzgebäude ein „Museum des Eisernen Vorhangs“. Im Jänner natürlich geschlossen. Dafür gibt die Freiluftausstellung „Achtung.Staatsgrenze – Pozor.státní hranice“ des Fotografen Alex Halada, Einblicke in Perspektiven von Anwohner_innen beiderseits der Grenze, persönliche Blicke auf das was war und das was ist. Die Strecke dorthin verläuft teilweise auf noch stark verschneiten Nebenstraßen. Das Brompton macht auch in dieser Ausnahmesituation eine gute Figur, einzig der Fahrer ist mit dem ungewohnten Bodenbelag überfordert. Mittags wartet heute die Rote Rübe und als Nachmittagsprogramm lädt Dolní Věstonice am Fuße der Pollauer Berge auf einen Strandspaziergang entlang des „südmährischen Meeres“ (Aufstauung der Thaya) ein. Der Abend hat sein starres Programm: Wenn draußen das Kunstlicht angeht wird drinnen auf Ruhemodus umgeschaltet.

Kneippen, Spazieren und Spiele statt Brot


Dienstag 24. Jänner

Mit den nackerten Füßen im Schnee beginnt der zweite Fasttag. Es dauert keine Minute bis es sticht, bis in den Kopf. Kneippen nennt sich diese Tortur. Sobald das Stechen nachlässt wird es wohlig warm. Für den Vormittag steht ein Stadtrundgang auf dem Programm. Das südmährische Mikulov liegt einen Katzensprung nördlich von Drasenhofen, gleich hinter der Grenze und präsentiert sich als Schmuckkästchen: Ein Schloss in der Mitte, daneben der Heilige Berg samt Kapelle, dazwischen altertümliche Gassen und an jeder Ecke lauert eine Verlockung: Kavárna, Hospoda, Vinotéka, … Apropos Wein, Mikulov ist neben Valtice eines der Weinbauzentren umzingelt von Riesling-Trauben. Themenwechsel, mittags steht heute ein „Vierterl“ von der Karotte auf der Karte. Nach der verordneten Mittagsruhe wartet der Heilige Berg und auf seinem Gipfel die Wallfahrtskirche des heiligen Sebastian. Keine Angst, fasten macht nicht gläubig, trotzdem der Ausblick ist – auch Grau in Grau – ein Traum. Statt in eine Gaststube führt der Weg zurück ins Appartment, intern „Hungerburg“. Spiele und Bücher ersetzen abendliches Kulturprogramm.

Fasten am Eisernen Vorhang …


Karte

Montag 23. Jänner

… das kingt, zugegeben, etwas vertrottelt, aber: erstens, ist der Jänner sowieso ein unerotischer Monat, da ist auch nix verhaut wenn man gleich auf alle einem wichtigen Lustbarkeiten wie Bier, Wein, Zigaretten, Schweinsbraten, Knödel, … verzichtet. Nulldiät. Außer Tee in ekelhaften Mengen, ein viertel Liter Gemüsesaft zu Mittag und einen Teller leere Gemüsesuppe am Abend. Und zweitens, bringt so eine einwöchige Kur Frischluft in die verkopfte Winterdepression, lässt einem Flügel wachsen (ohne Dose) und bedient sich großzügig der angesammelten Fettreserven. Win-Win. Und warum am Eisernen Vorhang? Darum! Weil: das gerade Thema ist, das verträumte tschechische Städtchen Mikulov in einer knappen Stunde von Wien aus zu erreichen ist, die Region Mikulov-Valtice-Lednice zwei UNESCO Weltkultur und Naturerbe-Gebiete beherbergt und weil die Gegend zum Wandern, Spazierengehen und Radfahren einfach ein Traum ist. Apropos Radfahren, das Brompton spielt bei dieser „Extratour“ ausnahmsweise nur eine Nebenrolle. Eine Hauptrolle spielt die Liebste die mit mir auf alle Genussmittel verzichtet. Aber Schluss jetzt, die Fastensuppe wartet