Routenplanung, Flussfunktionen und ein Besuch im Nirvana


  1. Tag: Mittwoch, 19. Juli 2023

Strecke: Vrhpolje – Mali Zvornik (SRB) – Tuzla (BiH) – Doboj – Banja Luka

Streckenlänge: 362 km (gesamt 9.355 km)

Bis zur bosnischen Grenze bei Mali Zvornik bleibt die Drina eine treue Wegbegleiterin. Nach einer weiteren Überquerung trennen sich die Wege.
Eine Stadtflanerie durch die hügelige Kantonhauptstadt Tuzla bringt den Bewegungsapparat wieder in Schwung. Tuzla erlangte während des Bosnienkrieges traurige Berühmtheit über die heimischen Nachrichten. Ihr einstiger Glanz blitzt immer wieder zart auf, doch auch die Verletzungen lassen sich nicht verbergen.
Ab sofort bestimmen Schlafplätze die Heimreiseroute. Die einzige Anforderung ist ein Flusszugang. Seit einigen Tagen haben Flüsse neben der Erfrischungs- auch die Hygienefunktion übernommen. Der Weg führt ins Nirvana, so auch der Name eines vielversprechend klingenden Campingplatzes. Dragan der Betreiber hat sich seine eigene kleine Welt im Nirgendwo am Fluss Bosna gezimmert. Sehr kreativ, aber letztendlich doch zu einschichtig. Ohne vorheriger Konsumation eines Erfrischungsgetränks und einem abschließenden Kaffee gibt es bei Dragan kein Entkommen, Gastfreundschaft in Großbuchstaben. Die nächste sich bietende Schlaf- und Reinigungsstation liegt am Stadtrand von Banja Luka an der Vrbas. Das Haus steht rechtzeitig vor den hereinbrechenden Sturmböen, nur das Donnerwetter wartet noch bis in die Nachtstunden.

Eine Brücke, eine Zirkus-Stadt und immer die Drina


  1. Tag: Dienstag, 18. Juli 2023

Strecke: Foča – Goražde – Višegrad (BiH) – Mokra Gora (SRB) – Bajina Bašta – Vrhpolje

Streckenlänge: 176 km (gesamt 8.993 km)

Die Drina bleibt den ganzen Tag eine treue Begleiterin. Innerhalb Bosniens werden Grenzen überschritten ohne einen Pass vorzuweisen. Die Grenzen zwischen der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska verschwimmen und werden mehrmals überschritten. Goražde liegt in der Föderation, Višegrad in der Republika. Die Wunden des Bosnienkrieges klaffen bis heute, hier moslimische Bosniaken, dort bosniakische Serben und alle schwimmen im kühlen Nass der Drina. In Višegrad spannt sich die Mehmed-Paša-Sokolović-Brücke über den Fluss, Weltkulturerbe und berühmt durch den Ivo Andrić Roman „Die Brücke über die Drina“. Seit einigen Jahren ist die Stadt um eine Attraktion reicher. „Andrićgrad“, Andrić-Stadt, eine künstliche Planstadt, die sich der Regisseur Emir Kusturica aus dem Gedächtnis geschnitzt hat. Ein „Zirkus-Stadtteil“ der die Geschichte der Region sehr frei interpretiert. Nach diesem Kuriosum verabschiedet sich die Drina kurzzeitig und es wartet der nächste, diesmal ein gewöhnlicher, Grenzübergang mit Gesichtskontrolle. In Serbien spendet der Tara-Nationalpark traumhafte Aussichten und ab Bajina Bašta ist er wieder zurück, der Fluss. Ab jetzt weicht er nicht mehr von der Seite.
Das Haus steht diesmal auf einem Autoabstellplatz umzingelt vom Mais. Der Parkplatz gehört einem, an Romantik nicht zu überbietenden, Wirtshaus direkt über der Drina. Es folgt das Standard-Programm: Erfrischungsgetränk, Abkühlung und als Krönung ein deftig serbisches Abendmahl.

Heimreisemodus, Panoramastraße und ein Temperatursturz


  1. Tag: Montag, 17. Juli 2023

Strecke: Shkodrasee (AL) – Podgorica (MNE) – Nikšić – Foča (BiH)

Streckenlänge: 219 km (gesamt 8.817 km)

Der Heimreisemodus lässt sich nicht mehr anhalten. Raus aus dem Hitzekessel Shkodrasee, rauf auf die Transitroute. Nach einem weiteren Grenzwechsel führt ab Podgoriza die „Panorama Straße 1“ von Süd nach Nord durch ganz Montenegro. Vorbei an der Bierstadt Nikšić, über Hochebenen, vorbei am Pivsko Stausee, an den Rändern des Dumitor Nationalparks entlang, weiter durch die Piva Schlucht bis zum nächsten Grenzbalken in die Republika Srpska. Als Teil von Bosnien und Herzegowina, entstanden in Folge des Bosnienkrieges, wird die Republika Srpska heute hauptsächlich von bosnischen Serb_innen bewohnt.
An der montengrinisch-bosnischen Grenze treffen sich die Flüsse Piva und Tara und vereinigen sich unter dem Namen Drina. Eine schmale Rumpelstraße schlängelt sich entlang der Drina runter ins Tal. Nahe Foča wird das Haus gebaut und das Eintauchen in der Drina sorgt für einen glasklar erfrischenden Temperatursturz um die 25 Grad!

Ein dampfender Fluss, ein Feuchtgebiet und jede Menge freigängiger Viecher


10. Tag: Mittwoch, 26. September

Strecke: Vrhpolje – Mali Zvornik – Loznica – Badovincoi – Zasavica

Die Hunde aus der Nachbarschaft sind sehr nachtaktiv, unsere Haushunde antworten bereitwillig und postwendend.
Auch frühmorgendlich sind die süßen Vierbeiner ungebrochen aktiv und erschweren den Bekleidungsvorgang. Dichte undurchschaubare Schleier tauchen auf, die Drina dampft. Bis Loznica weicht sie uns nicht von der linken Seite, später verschwindet sie aus dem Blickfeld, wir biegen ab in Richtung Sremska Mitrovica. Spätestens morgen sehen wir uns wieder, wenn sich die Drina in der Save Richtung Donau verfüssigt hat. Wider Erwarten finden wir ein Traumcampingplatzerl mitten in der Prärie, nahe der Save. Das Nest heißt Zasavica und liegt in einem der letzten, authentisch erhaltenen Feuchtgebiete Serbiens. Im angeschlossenen Naturschutzgebiet tummeln sich jede Menge freibewegende Viecher: Esel, Pferde, alle möglichen Arten von Rindviechern, Federvieh, Schweine, Schwäne, Schlangen, … Das Wirtshaus vorort serviert zum lokalen Pivo, Gulasch vom Mangaliza-Schwein. Und, das alles und noch viel mehr fast für uns alleine!

Reduzierte Körperpflege, abenteuerliche Panoramastraßen und Wetterumschwung


Eine bosnisch/montenegrinische Reise
Mittwoch, 20. September

Strecke: Patkovina/Drina Camp – Foča – Drinatal – Hum (SRB) – Šćepan Polje (MNE) – Trsa – Žabljak

«Am Tag, als der Regen kam» (Dalida). Wenn der Himmel aus allen Öffnungen weint, gehen Camping und reduzierte Körperpflege Arm in Arm, umso mehr als der Weg zur Pflegestation unangemessen weit ist. Der Abschied vom Drina Camp fällt schwer, wunderbarer Platz, herzliche Betreuung, wunderbare Küche – eine Empfehlung.
Über Foča geht es erneut bergauf, bergab durchs Drinatal zur montenegrinischen Grenze. Direkt an der Grenze vereinigen sich die Flüsse Tara und Piva zur Drina, die Piva eingerahmt von steil aufragenden Felswänden. «Ich fahre mit dem Auto, alles geht so schnell, links der Berg, rechts die Schlucht …» (Minisex), die Straße windet sich durch unzählige unbeleuchtete Tunnel. Ab der Abzweigung nach Žabljak gehts steil bergauf bis zur Baumgrenze. Spätestens jetzt beginnt die Durmitor-Nationalpark-Traumwelt. Schafherden kreuzen die Straße, karge Berglandschaften so weit das Auge reicht. In Žabljak ist es vorbei mit der Abgeschiedenheit – Hotels, Pensionen, Restaurants – und alle wollen zum Crno Jezero, zum Schwarzen See, umgeben von 2.000er Gipfel. Kurze Sonnenfenster und Regen wechseln sich ab. Im Mlinski-Camp, ein montenegrinischer Empfang: Kaffee und Schnaps. In einer Regenpause wird das Zelt aufgebaut, es erwarten uns Temperaturen um die null Grad. Dank «Treksport» (www.treksport.com) ist uns das relativ «wurscht»! Im Aufenthaltsraum spazieren die Hühner zwischen den Tischen, noch schnell eine Jause und ab in die Schlafsäcke!

Wieder nix Fisch, draußen kalt und drinnen warm


Eine bosnische Reise
Dienstag, 19. September

Strecke: Patkovina/Drina Camp – Foča – Drinatal – Patkovina/Drina Camp

»Der frühe Vogel fängt den Fisch», um sechs Uhr morgens mach ich mich auf den Weg. Neuer Tag, neues Anglerglück, so war der Plan. Wieder nix. Schlimmer noch, jetzt liegen auch die letzten beiden metallischen Fischköder am Drina-Grund zwischen Steinen verheddert. In Foča wird aufgerüstet für den Nachmittag, neue Fischköder wandern ins Einkaufssackerl. Als Fleißaufgabe fahren wir heute schon Mal die morgige Strecke durchs Drinatal Richung Montenegro. Wo noch vor Jahren die Einsamkeit zu Hause war, wachsen Wildwasser-Camps aus der Erde. Zurück im Drina-Camp wird noch einmal an den Fischfangkünsten gefeilt. Angebissen hat wieder keiner, aber Teilerfolge beim Auswerfen und im Umgang mit dem Gerät machen Hoffnung! Inzwischen hat es stark abgekühlt, aber im Zelt bleibt der Wind draußen und im Schlafsack die Wärme drinnen, somit alles im Wohlfühlbereich.

Die Drina-Brücke, eine weitere Kulissenstadt und eine Frisch-Fisch-Niederlage


Eine serbisch/bosnische Reise
Montag, 18. September

Strecke: Mokra Gora (SRB) – Višegrad (BiH) – Goražde – Patkovina

Das Kusturica Kulissendorf war «nett», aber eben unecht: Ein Ivo Andrić Boulevard, eine Maradonna Straße, ein Che Guevara Weg, ein Stanley Kubrick Kino – ein Schnäppchen für Kusturica-Fans only. Die Bosnische Grenze ist nur mehr einen Katzensprung entfernt. Als erstes empfängt uns Višegrad mit seiner symbolhaften Brücke über die Drina. Nur 28 Kilometer vom «Küstendorf» entfernt befindet sich in Višegrad eine zweite Kusturica Wunderwelt: «Andrićgrad». Wo einst gesportelt wurde steht heute eine weitere Filmkulisse für die geplante Verfilmung des Andrić Klassikers «Die Brücke über die Drina». Sehr viel Scheinwelt in Anbetracht dessen was uns die Brücke alles erzählen könnte: Über gute Zeiten, wo Moslems, Christen, Juden und Orthodoxe sich friedlich die Brücke teilten und über schlechte Zeiten, von Vertreibung und Völkermord im Bosnienkrieg. Weiter geht es gegen den Lauf der Drina Richtung Ursprung, bei Patkovina nahe Foča dürfen wir zum ersten Mal unter Bäumen unser Zelt aufbauen (https://www.autocampdrina.com), die Drina zum Greifen nahe. Nur der Plan mit dem frischen Fisch ist im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen: Ein Blinker (Fischköder) liegt am Grund der Drina vergraben, den nächsten musste ich zwei Mal vom Drina-Grund wieder herauftauchen. Weiters mehrmalige «Wickel» mit der Angelschnur. Eine Niederlage auf allen Ebenen! Heute Abend doch wieder Fisch aus der Wirtshausküche.

Rakija zum Frühstück, kein Frischfisch an der Leine und schlafen in der Filmkulisse


Eine serbische Reise
Sonntag, 17. September

Strecke: Vrhpolje – Bajina Bašta – Perućac – Nationalpark Tara – Zaovinsko Jezero – Mokra Gora

«Rakija bringt die Menschen zusammen», unser Gastgeber serviert zum türkischen Kaffee gleich ein Stamperl «Sliwo» (Zwetschkenschnaps). Nach dem dritten sind wir sehr weit beisammen, die Drina in Greifweite. Um es vorwegzunehmen, wir haben den Absprung geschafft. Wir folgen der Drina auf der Suche nach einem geeigneten Campingplatz um endlich unser Zelt an der Drina einzuweihen. Fehlanzeige. Auch der erste Versuch einen Drina-Fisch an die Angelleine zu bekommen wird vertagt. Stattdessen schrauben wir uns hinauf in den Tara Nationalpark. Eine unwirkliche Berglandschaft, wir umrunden den Zaovinsko See und hoffen noch immer auf Zeltplatz und Frischfisch. Abermals Fehlanzeige. Auf entbehrungsreichen Straßen landen wir letztendlich in einer Filmkulisse in Mokra Gora. Der Filmregisseur und Musiker Emir Kusturica hat hier für seinen Film «Das Leben ist ein Wunder» ein althergebrachtes Holzhüttenbergdorf das «Küstendorf» aufgebaut, heute ein Touristen-Hotspot mit Übernachtungsmöglichkleiten. Luxus statt Zeltromantik. Reisen ist ein unplanbarer Film.

Von der Donau zur Drina, Felder-Hügel-Berge und eine verpasster Sonnenuntergang am Fluss


Eine serbische Reise
Samstag, 16. September

Strecke: Bezdan (SRB) – Sombor – Prigrevica – Futog – Sremski Mitrovica – Šabac – Vrhpolje

Mit der Sonne erwachen die Hähne und begrüßen lautstark den Tag. An der Donau ist noch alles ruhig, einzig eine Frau schuppt ihren frischen Fisch. Unser Frühstück wird von schreienden Möwen begleitet. Ein Feldermeer begleitet uns über Sombor nach Prigrevica. Meine inzwischen verstorbene Tante Rosi stammt aus dieser Ortschaft zwischen Sombor und Apatin. Ein kleines vergessenes Dorf inmitten von Landwirtschaft, mit einer kleinen zerrütteten Fußgängerzone und einer katholischen Kirche ohne Dach, aus der die Bäume wachsen. Für die Kinder am Spielplatz sind Besucher_innen aus dem gar nicht so fernen Wien eine willkommene Abwechslung. Sie machen Späße über uns. Zur Mittagszeit zeigt das Thermometer satte 34 Grad. Bei Futog, nahe Novi Sad, treffen wir noch einmal auf die Donau und setzen per Fähre über. Wunderbare Hügelwelten führen uns über die Fruska Gora, die serbische Weinebene nach Sremski Mitrovica. Über Berge und eine unwirkliche Steinschlagstrecke erreichen wir die Drina. Für eine in Kilometer gemessene, relativ kurze Strecke, verbrennen wir unangemessen Benzin und Zeit: 324 gefahrene Kilometer, fast ein ganzer Tag. Den Sonnenuntergang an der Drina verpassen wir ums – in Wien würde man sagen – Oaschlecken. Die Drina markiert hier die Grenze zwischen Serbien und Bosnien. Ein privater Bettgeber direkt am Fluss und eine serbische Grillplatte runden den Tag ab – Živeli!