Rummelplatz, Zwischenwelt und Geschmacklosigkeiten
10. Tag: Sonntag, 28. September 2025
Strecke: Lwiw
Der Bobo-Porsche hat heute einen wohlverdienten Ruhetag. Der Fahrer macht sich zu Fuß auf, um die Stadt zu entdecken.
Lemberg war einst in der Habsburgermonarchie Hauptstadt des Königreichs Galizien. Der alte Herr, der Kaiser Franzl, ist im Stadtbild noch immer präsent: Von einigen Hauswänden gafft es als Graffito. Eine renommierte Konditorei hat ihn eingerahmt und an die Wand genagelt.
Wie in Wien ist auch die Innenstadt von Lwiw von einer Ringstraße eingekesselt. Der von Krieg und Sowjetzeit größtenteils verschont gebliebene Altstadtkern, mit seinen mannigfaltigen Baustilen, steht auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO. Was der Stadt, außer einer Degradierung zu einem touristischen Rummelplatz, wenig eingebracht hat. Am spannendsten ist die Stadt dort, wo die Innenstadt aufhört und die Vorstadt noch nicht angefangen hat. Die Reich-Und-Schön-Dichte lässt deutlich nach und es breitet sich das ungeschminkte Leben aus. Nicht immer schön anzusehen, aber dafür ehrlich …
Eine Geschmacklosigkeit am Rande: Der vor allem in der Westukraine bis heute verehrte, nationalistische, ukrainische Politiker und Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera, darf überlebensgroß auf einem Sockel in der Stadt herumstehen, darüber hinaus trägt eine Straße seinen Namen. Die dazugehörige Pikanterie: Sogar den Nazis wurde Bandera zu unberechenbar und so landete er als „Ehrenhäftling“ im KZ Sachsenhausen. Später ermordete ihn ein KGB-Agent in München.
Aber zurück dorthin, wo die Stadt am aufregendsten ist. In dieser Zwischenwelt findet sich ein wunderbares Imbiss-Wirtshaus. Vor dem Vordach brettern Tramway und Bus, Straßenverkäufer:innen stehen sich erfolglos die Füße in den Bauch und unter dem Dach dominieren die hochprozentigen Erfrischungsgetränke. Viel besser als Kino!