Ein Denkmal des Grauens, Jesolo-Flair und eine unstimmige Wetterlage


11. Tag: Montag, 23. Juni 2025

Strecke: Gdańsk – Sopot – Gdynia – Łeba

Streckenlänge: 150 km

Kein Gaskocher-Kaffe, kein Frühstück am Opern-Parkplatz, rundherum herrscht schon zu unchristlichen Zeiten reger Betrieb. Die Maschine wird angeworfen und Richtung Westerplatte gesteuert. Auf der Danziger Halbinsel startete am 1. September der Überfall auf Polen und in Folge der 2. Weltkrieg. Ein weltweites Trauma. An die polnischen Verteidiger erinnert ein Denkmal.

Der nächste Stopp ist erfreulicher. Sobot ist eine Kurstadt zwischen den beiden Industrie- und Hafenstädten Gdańsk und Gdynia. Zusammen bilden die drei Städte den Ballungsraum „Dreistadt“ in der Woiwodschaft Pommern. Sobot kann mit einer Seebrücke (Betreten nur gegen Bezahlung), einer Promenade und einem elendslangen Sandstrand aufwarten. Apropos Sand, Strand, Meer, um dorthin zu gelangen ist fast die gesamte Küste entlang zuerst ein kurzer Waldspaziergang zu absolvieren, erst dann breitet sich das viele Wasser aus.

Die Ortschaften an den Badestränden haben alle einen gewissen Jahrmarkt-Charakter, Kitschbuden, Trinkstationen und Ringelspiele. Ein Hauch von Jesolo-Flair an der Ostsee. Eine Auffälligkeit am Rande: Neben beten und Eis schlecken ist die Lieblingsbeschäftigung der Polen das Rasen mähen.

Ansonsten steigt die Campingplatz-Dichte, die Wolken ballen sich, die Bäume wiegen sich in den Windböen, in unregelmäßigen Abständen fallen Regentropfen …

Eine revolutionäre Werft, eine Wunderwelt und Parkplatz-Camping


10. Tag: Sonntag, 22. Juni 2025

Strecke: Nowa Karczma – Krynica Morska – Gdańsk (Danzig)

Streckenlänge: 85 km

Immer der Ostsee entlang … Am Weg vor der ersten Station gibt es ein freudiges Wiedersehen mit der Weichsel (Wisła). Einmal den Fluss überquert und schon bald rücken die Vororte von Gdańsk ins Blickfeld. Der angesteuerte Camping-Park am Stadtrand ist maßlos überteuert und auch sonst eine Katastrophe. Ein Parkplatz nahe der baltischen Oper sorgt für Abhilfe.

Erste Station der Stadterkundung ist die Stocznia Gdańsk, die Danziger Werft. In der ehemaligen Lenin Werft formierte sich die Bewegung Solidarność, die erste freie Gewerkschaft des ehemaligen Ostblocks. Ihr Vorsitzender war der spätere Friedensnobelpreisträger und späterer polnischer Präsident Lech Wałęsa. Solidarność brachte den „Wind Of Change“ hinter den Eisernen Vorhang, der den Zerfall des ehemaligen Ostblocks einläutete. Am Rande des ehemaligen Gelände hat sich das Bobo-Alternativ-Zentrum „100CZNIA“ breit gemacht. Eine Container-Siedlung mit Food Trucks, aufgeschüttetem Sand, Liegestühlen, Clubs und einer Konzerthalle.

Nach einem Erfrischungsgetränk folgt der klassische Stadtrundgang: Das historisch Werkstor zur Lenin-Werft, das monumentale Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter, Altstadt, Neptunbrunnen, die Promenaden entlang der Motława, dem Krantor, … Außerhalb der Wunderwelt verschwinden die schicken Lokale und der Glamour. 

Nahe des Trubels hat sich Jakub den Traum vom eigenen Lokal erfüllt. „Open Doors“ ist als Wohnzimmer für jene Danziger gedacht,  die sich die Innenstadt nicht mehr leisten können. Normale Preise in entspannter Atmosphäre. „Die Innenstadt ist für die Menschen unleistbar geworden, die Touristen haben das Zentrum erobert und nicht mehr zurückgegeben.“ Finanziert hat sich Jakub seinen Traum auf norwegischen Ölplattformen.

Außerhalb der Vergnügungsmeile sind die Wirtshäuser rar, das einzige das sich aufzutreiben lässt ist, trotz hervorragender Küche, leer. Eine Straßenbahn führt zurück zur Opern-Parkplatz und zum mobilen Wohnheim.

Kalte Dusche, Solidarność und in Gdynia hängen geblieben


9. Tag: Mittwoch, 21. Juni

Karte

Strecke: Jantar – Danzig – Sopot – Gdynia

Streckenlänge: 57 km

Warmes Wasser gibt es erst ab acht Uhr, so muss der Körper mit kaltem Wasser gesäubert werden. Dafür freu ich mich auf warmen Kaffee zur ersten Pause.
Die Weichsel wird überquert und die Tote Weichsel führt an die Ränder von Danzig. Die Stadteinfahrt gestaltet sich gewohnt mühsam, es wird gebaut wie wild, in der Innenstadt das übliche Geschiebe, alles drängt sich um den Neptunbrunnen. Die Ränder wären interessanter, nur dazu fehlt die Zeit. Aber, ein Besuch muss sich ausgehen: Das Tor 2, der ehemaligen Danziger Lenin-Werft. Das Werkseingangstor ist renoviert und davor steht ein 40 Meter hohes Denkmal zur Erinnerung an die 1970 bei Protesten getöteten Werftarbeiter. Die Gewerkschaftsbewegung Solidarność, eine wichtige Kraft der politischen Wende 1989. Heute ist der „Plac Solidarności“ eine Gedenkstätte. Der Hackler-Eingang, der noch immer bestehenden Danziger Werft, liegt unweit dahinter und für ein Solidaritäts-Bier in der Werkskantine muss Zeit sein!
Stop-And-Go, fotografieren und treten. Im nahegelegenen Sopot, der Côte d’Azur von Polen, ein ganz anderes Bild: Noble Hotels, Strandcafés, Seebrücke, Bernsteinkult. Schnell weiter nach Gdynia, um noch die Fähre nach Hel zu erwischen, zu viel Trubel rundherum. Zu spät, nächste Fahrt morgen zehn Uhr und Campingplatz gibt es auch keinen. Viel zu wenige Kilometer gemacht – ein Frust-Bier – später finde ich ein freies Bett in den „Blues Rooms“.