Ein Meer aus Sand, schieben statt rollen und das nächste Jahrmarktsdorf


11. Tag: Freitag, 23. Juni

Karte

Strecke: Łeba – Izbica – Kluki – Smołdzino – Rowy

Streckenlänge: 74 km

Spätabends, wie auf Knopfdruck sind alle Menschen verschwunden und alle Läden dicht. Auch die Köch_innen machen Feierabend. Mit Mühe bekomme ich eine Pizza. In der Nacht kommt er dann doch noch, der Regen. Da lieg ich aber schon fest eingepackt in meinem Schlafsack, sehr romantisch.
Der frühe Vogel fängt den Wurm, so mache ich mich schon sehr zeitig auf den Weg zu den Wanderdünen von Łeba, ein Extra-Ausflug von tour-retour 20 Kilometern. Die Nationalpark-Kasse hat noch geschlossen und ich wandere alleine durch ein Meer aus Sand, am Rückweg trudeln die ersten Besucher_innen ein. Weiter die eigentliche Route: Durch den Wald, durch Wiesen und Felder, durch vergessene Dörfer. Die Untergründe werden immer ausgefallener. Auf Sandwege folgen Betonplattenwege und diese enden auf Pfaden durch Sumpfwiesen. Es wird oft geschoben. Ab dem Freilicht-Museums-Ökodorf Kluki kündigt sich wieder eine Kurzstrecke Asphalt an. Der Segen hält nur kurz, es folgen Betonplatten- und Sandwege bis zu meiner heutigen Bettenstation, einem dubiosen Campingplatz in Rowy, einem weiteren Jahrmarktsdorf mit Meerzugang. Zusätzlich hab ich noch eine unfreiwillige Ehrenrunde eingebaut – schon wieder verfahren! Die Hafenkneipe versöhnt mich mit dem Tag, bis der große Wolkenbruch kommt. Gut eingeweicht versenke ich mich in meinem Schlafsack, um von Sand- und Betonplattenwegen zu träumen.
Zum Schluss noch eine Beobachtung: Polnische Radler_innen besprayen neben ihren Körpern auch ihre Räder mit Gelsen-Abwehr.

Landschaftlicher Stillstand, Zahlenspiele und ein Häuschen am Wasser


11. Tag, Montag 26. September

Strecke: Haapsalu – Kabeli – Kirbla – Lihula – Tuudi – Karuse – Paatsalu (Karte)

Streckenlänge: 75 km Fahrzeit: 5 h

Haapsalu im morgendlichen Nebel. Kinder auf dem Schulweg, einige Fischer versuchen ihr Glück auf der Strandpromenade, der Blick in die Ferne ist verschleiert.
Zur heutigen Etappe: „Same procedure as every day“ (aus „Dinner for one“). Und da waren sie wieder, die drei „W“ – Wald, Wiese, Wind. Letzterer verhielt sich heute neutral. Wenn sich über Kilometer so gar nichts tut, geht uns das Radeln, vulgär ausgedrückt, schon ziemlich auf die Eier (diesmal wird nicht gegendert). Bei landschaftlichem Stillstand vertreiben wir uns die Zeit mit Zahlenspielen: Auf vier Häuser kommt eine Busstation, aber nur jede zweite hat ein Sitzbankerl. Für einen Mini-Markt bedarf es so um die hundert Wohneinheiten. Jede sechste Hütte hat einen Hund hinter dem Zaun. Die Holz- überwiegt gegenüber der Plattenbauweise. Und auf dem Asphaltband wird gewarnt vor „Elchen“, „Hirschen“, „über die Straße laufenden Kindern“ und „alten Menschen“.
Inzwischen sind wir beim vierten „W“ gelandet, am Wasser. Keine Menschen außer uns, nur Schilf, Libellen, Windräder und ein Fischerboot. Zeit für eine Jause.