Eine landschaftlich romantische Ausfahrt durch die finstere Geschichte


Sonntag 11. Dezember

Strecke: Mandelstraße – Volkspark Friedrichshain – mit der S-Bahn bis Lichtenrade (Start der 2. Mauerradweg-Strecke) – Marienfelde – Teltow – Dreilinden – Klein Glienicke – Wannsee (Ende der 2. Mauerradweg-Strecke) – mit der S-Bahn zurück in die Mandelstraße

Streckenlänge: 45 Radkilometer     Fahrzeit: ca. 3 h 30 min

Sonntag Morgen. Die Straßen leergefegt und die ansonsten überfüllten Straßenbahnen fahren einsam durch die Gegend. Der Bär ist müde, Berlin schläft noch. Selbst der Alex vergräbt seinen Kopf unter einer dicken Wolkendecke und es tröpfelt am Asphalt. In den ersten Tagen zeichnen sich bereits einige Routinen ab: Lecker Frühstück und Netzzugang gibt es bei einem türkischen Bäcker/Lebensmittel-Laden nahe dem Volkspark Friedrichshain, die Ring-S-Bahn ist neben dem Brompton das Hauptverkehrsmittel und in der Bierquelle, einer Raucherkneipe auf der Greifswalder Straße, entsteht der tägliche Blog. Ab Lichtenrade wird die Mauerspur wieder aufgenommen. Die heutige Etappe ist etwas kürzer bemessen. Das Wetter ist bescheiden, der Kadaver ist müde. Es geht durch Felder, Wälder und Kirschbaumalleen, immer den Kolonnenweg entlang bis sich nahe Potsdam eine Seenlandschaft ausbreitet. An den Rändern hat sich die Natur den Mauerstreifen zurückerobert, eine wildromantische Strecke, wären am Wegesrand nicht all die Erinnerungstafeln an die unzähligen Maueropfer. Die Fotokamera verbringt den Großteil der Strecke unter der Regenhaut, die fotografische Ausbeute des heutigen Tages wird somit dürftig ausfallen. Finster wirds, am Wannsee endet die sonntägliche Ausfahrt. Das abendliche Kulturprogramm wird diesmal zeitlich beschränkt, der Körper fordert sein Recht auf Schlaf.

Metal-Kneipe, Mauer-Zirkus, Berlin am Rand


Samstag 10. Dezember

Strecke: Mandelstraße – East Side Gallery (Start der 1. Mauerradweg-Strecke) – Oberbaumbrücke – Sonnenallee – Gropiusstadt – Lichtenrade (Ende der 1. Mauerradweg-Strecke) – mit S-Bahn zurück in die Mandelstraße

Streckenlänge: 50 Radkilometer       Fahrzeit: ca. 4 h

Die letzte Station des gestrigen Abend ist die Metal-Kneipe „Blackland“ zwecks Netzzugang. Live-Musik-Dröhnung inklusive. Trotzdem frisch gestaltet sich der Tourstart. Die East Side Gallery ist die denkbar schlechteste Wahl für den Einstieg in den Mauerradweg. Das längste noch erhaltene Mauerstück, ist ein touristischer Hotspot. Zwei sich Bussi gebende ältere Männer („Bruderkuss“ von Leonid Breschnew und Erich Honecker) haben Busladungen von Knipser_innen zur Folge. Die Mauer verkommt zum Zirkus, zu einem gruseligen Disneyland. Eine Stop-And-Go-Etappe führt zur Oberbaumbrücke. Die letzten Übriggebliebenen der vergangenen Nacht mühen sich von Friedrichshain über die Spree nach Kreuzberg. Langsam kehrt Ruhe ein. Eine Doppelreihe Kopfsteinpflastersteine markiert den innerstädtischen Grenzverlauf. Verwinkelt und für Spätgeborene kaum real vorstellbar. Ein einsamer ehemaliger Wachturm in Alt Treptow, inzwischen sehr bunt, steht orientierunglos im Park. In Folge wird der ehemalige Grenzverlauf geradliniger und ländlicher. Statt einer Mauer trennt aktuell eine Autobahn die Stadtteile. Felder, Wiesen, kleine Teiche, sehr viel Gegend, bis sich die Gropiusstadt im Hintergrund abzeichnet. Der ehemalige Mauerstreifen ein Erholungsgebiet für Jogger, ein Auslaufgebiet für Hunde samt Besitzer_innen. Am Bahnhof Lichtenrade ist vorerst einmal Endstation, das Brompton wird gefaltet und die S-Bahn bringt es nach Hause. Der Kopf ist voll, der Bauch ist leer. Die lieben Freunde sind am Kochen! Die Metal-Kneipe lass ich heute aus.

Musikalischer Advent, quer durch Berlin und eine Wiener Berliner Freundschaft


Freitag 09. Dezember

Karte

Strecke: Sigmundsgasse (Spittelberg) – Wien Schwechat – Berlin Tegel – Mandelstraße (Prenzlauer Berg)

Gestern Abend mitten im Achten konzertierte noch der wunderbare Gitarrist Gottfried Gfrerer im Rahmen des Wiener Musikalischen Adventkalenders. Heute Abend wartet polnische Gastlichkeit in Prenzlauer Berg mitten in Berlin. Dazwischen liegen eine Radkurzstrecke zum Wiener Flughafen, eine polizeiliche Verwarnung wegen ungebührlichen Wasserlassens (Einzelheiten würden jetzt zu weit führen), eine Flugkurzstrecke nach Berlin und der Hauptgrund: die Pflege einer wunderbaren Wiener-Berliner-Freundschaft. Ein weiterer Hauptgrund ist eine Extra-Exkursion im Rahmen der Eisernen-Vorhang-Radtour – der Berliner-Mauerradweg – einmal rund um West-Berlin. Warum im Dezember? Darum: Flucht vor dem Wiener-Weihnachtsmarkt-Wahnsinn (kurz WWW) und die Hoffnung, die kapitalistische Unvernunft auswärts besser zu ertragen. Die ersten Berliner Faltrad-Kilometer sind inzwischen abgeradelt, einmal quer durch die Stadt: Schloss Charlottenburg, Bahnhof Zoo, Gedächtniskirche, Siegessäule, Brandenburger Tor, Unter den Linden, Alexanderplatz, Alex, …  Kurz vorm Ziel grüßt Ernst Thälmann. Zu Hause. Jetzt werden die Berliner Freunde geherzt.

Grenzslalom, Herzerlstraße und ein Tschocherl im Wein


Sonntag 06. November

Karte

Ratsch an der Weinstraße – Sulztal – Herzerlstraße (SLO) – Langegg (A) – Sveti Duh (SLO) -Schloßberg (A) – Remschnigg (SLO/A) – Glanz – Sulz – Ratsch an der Weinstraße

Unsere Brompton Falträder wollten heute partout den Kofferraum nicht verlassen. So haben wir zu Automobil und per pedes unsere südsteirische Reise fortgesetzt. Haben den Klapotetz besucht (mehrmals), haben Grenzen überschritten (mehrmals) und sind in Buschenschanken eingekehrt (mehrmals). Nebelwelten, Sonnenschein, Schnürlregen – das alles innerhalb der wenigen Tageslichtstunden. Weiters im Programm: vom herabfallenden Laub verdeckte Wege, die Herzerlstraße, den Heiligen Geist samt Kirche, schlafende Grenzbewacher, einen slowenisch-steirischen Most-Bauernhof (Tipp: www.tertinjek.at) und das „Tschocherl“ (wienerisch für: urige Kneipe) auf der Weinstraße: „Meine Damen und Herren, eines hab ich noch … ‚Sierra Maddre‘ … und noch eine Mischung …“ Wir waren schon sehr müde, haben applaudiert, den letzten Schluck getrunken und sind in die Nacht geeilt, der Sonntags-Tatort wartet!

Nebelland, Mur-Radweg und das Grüne Album


Samstag 05. November

Karte

Strecke: Ratsch an der Weinstraße – Ehrenhausen – Spielfeld – Mureck – Oberau – Fahrrad- und Fußgängerbrücke nach Slowenien – Apace (SLO) – Gornja Radgona – Bad Radkersburg (A) – Spielfeld – Ehrenhausen – Ratsch an der Weinstraße
(von Ehrenhausen bis Bad Radkersburg mit dem Rad, 49 km)

Geplante Feste finden nicht statt, so ist das auch mit der Wettervorhersage. Satt angesagtem strahlenden Sonnenschein dominierte das graue Band in allen Schattierungen. Der Mur war es egal, die Wassermassen bewegten sich unbeeindruckt Richtung Drau. Wir hatten keine Wahl. Dafür entschädigten uns die Nebelwelten der Südsteirischen Weinstraße und dem Mur-Grenz-Radweg konnte selbst die Düsterstimmung seine Romantik nicht nehmen.
Die spontane Extratour in das südsteirische Grenzland haben wir Natalie Ofenböck und dem Nino aus Wien zu verdanken, präziser gesagt, ihrem „Grünen Album“ (Edition Bader/Problembär Records), gespickt mit phantasievollen Briefen, modern naiven Zeichnungen und einer wunderbaren Mischung aus Volksmusik und Wiener Rock’n’Roll. Inspiration pur! Das Abendprogramm haben uns die beiden auch mit auf den Weg gegeben: Buschenschank, Brettljausn und a „Vier-Finger-Mischung“! Der Klapotetz muss bis morgen warten.

Brompton-Race mit Kulturstrick und Eierschädl


Sonntag, 23. Oktober 2016

Erste Wiener Fahrradschau in der Fleischerei (ehemaliger Schlachthof) St. Marx. Einer von vielen Programmpunkten, das BWC-Rennen (Vienna Brompton World Championship 2016) samt Dresscode: Sakko, Kulturstrick (Krawatte) plus Eierschädl (Fahrradhelm). Für mich in zweierlei Hinsicht eine Premiere, erstes Antreten bei einem Brompton-Contest und als unvernünftiger „Oben-Ohne-Fahrer“ erster Körperkontakt mit einem Eierschädl. Windschlüpfriger vielleicht, dennoch ließen die Sportradler den Reiseradler blass aussehen. Acht Runden um das Golif Riesengemälde „Der Beobachter“, zirka 10 Kilometer Streckenlänge. Fürs Stockerl hats bei weitem nicht gereicht, Endstand Platz 20. Es zählt der olympische Gedanke! Danke an mein Service-Team (Angela, Lili und Gottfried). Danke auch an die Cooperative Fahrrad (www.fahrrad.co.at), die meine „Vorhang-Auf-Tour“ prominent auf ihrem Stand präsentiert hat.

Weitere Bilder unter Fotos.

Wieder in Wien, Rochusmarkt-Bande und Zusammenfassung


16. Tag, Samstag 1. Oktober

Karte

Strecke: Riga – Wien (Flug)

Riga vier Uhr in der Früh. Wenig Schlaf, mit dem Taxi zum Flughafen. Wenige Stunden später, wieder in Wien. Genauer, vereint mit der Rochusmarkt-Bande, nach erledigtem Einkauf, beim allsamstaglichen Jour fixe am Würstelstand. Schön!

Die Zusammmenfassung:
Strecke: St. Petersburg – Riga
Länder: Russland, Estland, Lettland
Gefahrene Kilometer: Gesamt (968 km), mit dem Rad (683 km), Zug (175 km), Bus (110 km)
Grenzübertritte: 2
Reisetage: 16
Bettstationen: 12 verschiedene Betten, davon drei (St. Petersburg, Tallinn, Riga) doppelt belegt

Vielen Dank fürs Lesen, Liken, Begleiten und für euren Zuspruch. DANKE!

Im Dezember geht es weiter mit dem Berlin-Mauerradweg.

Alles Liebe & Dank
Mario & Angela

Kosmetische Korrektur, Zielfoto und Halli Galli


15. Tag, Freitag 30. September

(Strecken-Karte St. Peterburg Riga)

Strecke: Riga

Stadtrundfahrt: 7 km

Die letzte Radetappe hat gestern unerwartet, abrupt geendet. Irgendwie ein Schönheitsfehler in der Chronologie. Also packen wir unsere Räder heute noch einmal aus und drehen eine Ehrenrunde durch Riga, samt hochoffiziellem Zieleinfahrt-Gruppen-Foto.
Riga ist die größte der baltischen Hauptstädte. Die Altstadt liegt an der Daugava (Düna) und ist ein ähnliches Museumsdorf wie Tallinn. Allabendlich überfüllt von vergnügungssüchtigen, grölenden Touristen-Horden. Außerhalb des Altstadtringes ändert sich das Stadtbild schlagartig. Da fällt mir prompt ein Sigi Maron Song (Text: Fritz Nussböck) ein: „S’Lebn is hoat in Favoriten“. Aber das würde jetzt zu weit führen … Wir finden dennoch unser Wohlfühlplatzerl und stoßen an auf unseren letzten Abend. Alles inklusive: „Es war großartig!“

ps: Morgen folgt der Abschlussbericht.

Kein Netz, erst Kurzstrecke, dann Bus


14. Tag, Donnerstag 29. September

Karte

Strecke: Häädemeeste – Jaagupi – Kabli – Ikla (EST) – Ainazi (LV) – Riga

Streckenlänge: 28 km Fahrzeit: 1 h 35 min

Strecke: Ainazi – Riga mit dem Bus – 110 km, Fahrzeit: 2 h 20 min

Der zeitverzögerte frühmorgendliche, aber eigentlich gestrige Blog, hat möglicherweise für Verwirrung gesorgt. Schuld daran war nicht das Wirtshaus, schuld daran war das zwar angekündigte, dennoch nicht vorhandene Internetz. So sind wir heute sehr zeitig in die örtliche Bücherei (Geheimtipp) gepilgert, die zwar noch geschlossen war, trotzdem ließ sich das Netz anzapfen.
Die letzten 28 Kilometer bis zur lettischen Grenze waren nicht nur theoretisch ein Katzensprung. Eine ruhige, kaum befahrene Landstraße und wie immer, rechts außen nach dem Waldstreifen, das Meer. Der Grenzübertritt war nach über einer Woche Estland etwas wehmütig. Die lettische Willkommenspolitik verwehrt uns die Nebenstraßenromantik und bietet uns stattdessen die A1. Wir, nicht blöd, besteigen den Bus. Das entlastet Beine und Nerven und bringt uns einen vollen Tag in Riga. Unseren morgigen, letzten

Schwerverkehr und Wirtshaus statt Dünen


13. Tag, Mittwoch 28. September

Strecke: Pärnu – Uulu – Voiste – Häädemeeste

Streckenlänge: 43 km Fahrzeit: 3 h

Auf idyllischen Pfaden verlassen wir Pärnu. Des Glück is a Vogerl, wenige Kilometer später landen wir auf der Hauptverbindung Pärnu – Riga. Zwei Spuren, in jede Richtung eine, Schwerverkehr inklusive. Ein Entlastungstag sollte es werden. Nur schlanke 43 Kilometer. Theoretisch ein Hupfer. Praktisch ein hartes Stück Mental- und Beinarbeit im (Gegen)Windkanal gegen die vorbeiziehende Blechlawine. Die letzten sechs Kilometer drürfen wir wieder gemächlich der heutigen Endstation entgegentreten. Es beginnt zu regnen und hört nicht mehr auf. Anstatt durch die angeblich höchsten Dünen Estlands zu wandern, begeben wir uns ins örtliche Wirtshaus.