Wien muss Helsinki werden, schweigen im Bus und finnisch für Anfänger


24. Tag: Mittwoch, 11. Juli

Strecke: Helsinki – Virolahti – Camping Vaalimaa (Bus/Rad) (Karte)

Streckenlänge: 183 km (gesamt 2.164 km)

Ich stecke bereits den zweiten Tag in der «Kurzen». Jetzt, wo’s bald vorbei ist, verhält sich das Wetter wie es von Anfang an hätte tun sollen: sonnig und nicht zu heiß.
Es geht wieder an die Grenze, noch ein letztes ausgedehntes Frühstück dann führt ein Bus nach Virolahti. Apropos Bus, Helsinki verfügt über einen mehrstöckigen, unterirdischen, bestens funktionierenden Busbahnhof – diesbezüglich: Wien muss Helsinki werden!
Bis auf die Fahrgeräusche ist es im Bus mucksmäuschenstill, die Finn_innen sprechen nicht miteinander, schon gar nicht um die Mittagszeit. Vermutung: sie sind noch nicht genügend «erfrischt». Heute verbringe ich meinen letzten Tag, meine letzte Nacht in Finnland, morgen mach ich rüber, über die Grenze nach Russland. Kurze verabschiedende Worte samt einer abschließenden Spracheinführung: Großes Land mit wenigen, im nüchternen Zustand sprachlosen Menschen. Viel Wasser und ganz, ganz viel Holz. Viele Rentiere, ein Vogelparadies, nur das mit den wilden Elchen und Bären ist eine Erfindung der Tourismus-Industrie. Dafür sind alle Horror-Geschichten über Gelsen und Schlechtwetter nicht nur wahr, sondern flächendeckend untertrieben! Trotzdem, es war jeden Kilometer wert zu fahren und am aufregendsten war es in Lappland bei den «Gscherten im Pelz» (© Helmut Qualtinger).
Jetzt zur Sprache: viele Doppellaute, viele «ä» und «i» und von A bis Z unverständlich! «Hyvä päivä» bedeutet Guten Tag, «Kaupahalli» ist die Markthalle, «Järvi» der See, «Poro» das Rentier, gedankt wird mit «Kiitos», der Bus ist das «Bussi», «Olut» das Bier, «Hölkyn Kölkyn» wird nicht übersetzt, das haben wir schon gelernt und «Käselahti» ist kein Milchkäse, sondern eine großartige Kleinstadt mit handwerklich sehr begabten und hilfsbereiten Menschen (siehe Tag 20) – nochmals KIITOS!
Inzwischen rollt der Bus auch schon in Virolahti ein, nur noch wenige Kilometer bis zum letzten Zeltplatz und zu den letzten Fertignudeln aus dem Sackerl. Die Ruhe ist zurück und das mobile Haus steht heute wieder direkt am Wasser.

Sparen, zaubern und laufen wie ein Nurmi


23. Tag: Dienstag, 10. Juli

Strecke: Helsinki (Karte)

Die Eingewöhnungsphase auf die Großstadt ist schnell passiert, eine Stamm-Tränke ist gleich gefunden, die «Bar Bakkari», eine Metaller-Kneipe.
Und die Lust aufs Rollen ist auch wieder da! Der City-Sightseeing-Bus wird eingespart und stattdessen die Route nachgeradelt. Eine einfache Rechnung: 30 Euro sind umgerechnet 4-einhalb Erfrischungsgetränke und gleichzeitig ein Aufwärmtraining für die letzten Kilometer. Mein Finanz-Vermögens-Berater würde stolz auf mich sein! «Hop-On-Hop-Off» mit dem Faltrad: «Laufen wie ein Nurmi», kommt von Paavo Nurmi, der finnischen Lauflegende. Auch der finnische Komponist Jean Sibelius wird mit einem Denkmal geehrt. Etwa sechs Prozent der Einwohner von Helsinki sind schwedischsprachig und so sind auch die Straßen in beiden Sprachen beschildert. Wie inzwischen schon überall gibt es auch hier ein Riesenrad. Und der unnötigste Hotspot ist die «Bad Bad Boy» Skulptur, ein überdimensionaler glatzerter Bub der «wischerlt» (uriniert). Gleich daneben gibt es einen Stand mit «Bad Bad Boy» Hot Dogs – einen Guten!
Bei so viel Ersparnis geht sich auch noch ein Tram-Fahrschein aus. Mit dem 3er kreuz und quer durch die Stadt/Vorstadt. Auch in der Straßenbahn herrschen finnische Umstände, nach der einen Endstation (Olympia Terminal) wird der 3er unangekündigt zum 2er. Einsteigen in die Drei, Aussteigen aus der Zwei, finnisch-fauler Zauber. Immer wieder wachsen unangesagt Steinberge aus dem Boden, von einem rinnt Wasser, in einem anderen wohnt eine Kirche, die «Rock Church». Und irgendwann ist auch wieder genug mit Kultur, Zeit für Zerstreuung: Heute laufen wieder 22 Männer einem Ball nach …

Die Hauptstadt, ein Pflegeprogramm und ungewohnte Gehübungen


22. Tag: Montag, 09. Juli

Strecke: Lappeenranta – Helsinki (Zug) (Karte)

Streckenlänge: 223 km (gesamt 1.981 km)

Rechtzeitig zum Hausbau beginnt es zu regnen, außen nass, innen nass, alles nass. Im engen Vorzelt wird noch ein Mitternachts-Nudel-Snack zubereitet. Jetzt nur noch den vergangenen Tag wegschlafen.
Die angekündigte Routenkorrektur: der Weg führt nicht mehr zurück ins Grenzgebiet, der Zug bringt mich in die große Stadt, die Grenzerfahrungen werden nachgeholt. Im Speisewagen verstecke ich mein Rad unterm Tisch, nur Erfrischungsgetränk bekomm ich noch keines, das Gesetz sagt «zu zeitig»! Füße langmachen und deppert aus dem Fenster schaun …
Helsinki hat 1917 Turku als Hauptstadt abgelöst, liegt im Süden des Landes an der Küste des Finnischen Meerbusens, hat weniger als eine Million Einwohner und viel Wasser rundherum. Bis auf den «Umfaller» vom Bahnhof in die Unterkunft wird heute nicht geradelt. Ich werde nach Ankunft sofort aufs Zimmer geschickt: Körperpflege, Handwaschmaschine, Trockenlegung der Ausstattung. Nach so viel Baumbestand und Kontaktarmut bereitet die Großstadt anfänglich Beklemmungen. Verloren unter Menschen, zu groß ist der Kontrast. Nach so viel Treten fühlt sich Gehen an wie eine unbekannte Art der Fortbewegung. Einen Fuß vor den anderen durch das Zentrum, die Klassiker: Kathedrale, Hafen, Meerjungfrau, Marktplatz, … bis die Beine nicht mehr wollen. Heute wird zeitig Schluss gemacht!