Was für eine Nacht, auf Schienen durchs Land und auf’s Pepperl!


2. Tag: Freitag, 13. Dezember

Strecke: Berlin – Stralsund (D) – Świnoujście (PL)

Normalerweise sind Zeitangaben Schall und Rauch, vor allem bei Wiedersehensfreuden mit den Berliner Freunden und in Kombination mit Erfrischungsgetränken. Die Nacht kennt keine Stunde. Und manchmal doch, da stockt die Routine, es gibt auch im fortgeschrittenen Alter noch ein erstes Mal: 12. Dezember, 23:21Uhr! Und die Welt ist anders als sie vorher war, der Pepperl ist da, ich bin Opa! Hoch die Tassen, eine feste Umarmung nach Wien, eines geht noch!
Ein Valentino oder doch ein Kurtl? Diese Info ist noch nicht in Berlin gelandet, stattdessen wartet der Regionalzug in Richtung Stralsund. Rauf aufs Brompton die Danziger rüber, vorbei am Mauerpark und runter die Bernauer. Zwei Mal über die nicht mehr unüberwindliche, lediglich am Boden markierte Mauer. Dort wo sie noch steht an der Bernauer, schnappschießen Mobiltelefone Selfies am laufenden Band.
Kennen Sie den? Ein Opa sitzt im Zug und wartet auf Abenteuer! Draußen verschwindet die Stadt, Oranienburg, die Uckermark, Neubrandenburg fliegen vorbei und irgendwann ist das Festland zu Ende und die Ostsee breitet sich aus, Stralsund ist erreicht. Von hier aus rollt die Bäderbahn, setzt bei Wolgast auf die deutsch-polnische Insel Usedom über, klappert die Seebäder ab und hat seine Endstation im polnischen Świnoujście. Hier hat schon der deutsche Kaiser Wilhelm II. seine Zehen in der Ostsee erfrischt. Der erste Ostsee-Blick geht sich nur mehr im Kunstlicht aus, die Strandpromenade befindet sich gerade im Umbau und das Schuhwerk versinkt im Gatsch. Der heutige Abend wird ein kurzer, noch ein Żywiec auf den Pepperl, dann werden für heute die Kerzen ausgeblasen, morgen geht’s los, es wird wieder bromptonisiert!

Keine Angst, ein anderes Berlin und Königsberger Klopse


1. Tag: Donnerstag, 12. Dezember

Strecke: Nachtzug Wien – Berlin

«Wir haben nichts zu verlieren außer unsre Angst», ein unzerstörbarer Satz der Ton Steine Scherben Hymne «Der Traum ist aus»! Vorgestern noch auf der ebenerdigen Bühne des Gasthauses Praschl im zehnten Wiener Hieb (Anm. Gemeindebezirk), gemeinsam mit meinen Kollegen von Die Rio-Reiser. Band und Publikum verschmelzen zu einer unüberhörbaren Stimme – «Macht euch bereit, für den Kampf ums Paradies»! Einen kapitalen Rausch, einen Reparaturtag und eine Nachtbahnfahrt später zu Besuch am Grab des 1996 verstorbenen Sängers und Autors eingangs zitierter Zeilen.
Berlin ist verschnupft, der Fernsehturm versteckt sein Haupt im dichten Nebel. Der Hauptstadtbesuch ist nur ein Zwischenstopp einer Stadtflucht auf der Suche nach Ruhe und Gelassenheit. Die eigentliche Reise, der Oder-Neiße-Radweg von Świnoujście (Polen) der deutsch-polnischen Grenze entlang bis nach Tschechien und weiter zurück nach Hause. Mit dem Faltrad. Coming Home for Christmas!
Im Städtevergleich ist Radfahren in Wien ein Wellnesstrip. Die Stadtausfahrt führt zu Nebenschauplätzen der Metropole: In die Chausseestraße 131, wo Wolf Biermann bis zu seiner Ausbürgerung aus der DDR wohnte und arbeitete. In eine Altberliner Eckkneipe am Mariannenplatz wo die Kundschaft noch richtig «berlinert». Ans Tempelhofer Ufer, wo die Scherben-Familie in den frühen 70er Jahren gemeinsames wohnen übte. Zum Alten St. Matthäus Kirchhof wo Rio Reiser unter der Erde liegt. An das ehemalige Lenné-Dreieck, auf der Westseite gelegen und trotzdem Teil der DDR. Dieser nicht mehr existierende Wildwuchsstreifen erzählt eine andere Flucht-Geschichte. 1988 flüchteten die Besetzter dieses Grün-Dreiecks vor der Polizei über die Mauer nach Ost-Berlin, wurden dort von der Volkspolizei abgeholt, verpflegt und wieder zurückgeschickt. Die vorletzte Station ist der Ernst Thälmann Park, wo der Ernstl noch immer seinen rechten Arm zum kommunistischen Gruß erhebt. Rot Front Genosse! Die letzte ist ein Besuch in der «Bierquelle», meiner Stammkneipe an der Greifswalder Straße, wo die Zeit stecken geblieben ist, in der Vorwendezeit, als Walter Ulbricht das Ruder noch fest in der Hand hatte.
Aber das Beste kommt zum Schluss: die Vertiefung einer deutsch-österreichischen Freundschaft beim gemeinsamen Kochen. Am Speiseplan stehen Königsberger Klopse, der Rest würde zu weit führen …!

Der/Das Liebling-Pub, ein Letztes und eine Zusammenfassung


17. Tag: Dienstag, 30. Juli

Strecke: Dublin – Wien (Flug)

Zurück in die Rumpelkammer, morgen beginnt der Tag noch «earlyer» als bisher. Wien wartet und das Irland/Nordirland-Abenteuer ist Geschichte. Aber zuvor noch ein Abstecher in mein Lieblings-Pub «The Auld Trinangle» an der Dorset Lower Ecke Gardiner Upper, eine letztes zum Abschied – In diesem Sinne: «Don’t Rush Take You Guinness Time – Cheers!»

Nachschlag 1:
Der oder das Pub? Beides geht, beides richtig!

Nachschlag 2:
Rauchen gefährdet nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Geldbörse. Rauchen in Irland ist empfindlich teuer. Ein Packerl Tabak kostet satte 17,50 Euro (Wiener Vergleichspreis 6,- Euro).

Nachschlag 3:
Sehr rücksichtsvoll sind die irischen Autofahrer_innen, DANKE!

Nachschlag 4:
Das Abflugsdrama wird ausgespart, darum gleich zur …

Zusammenfassung:
Reisetage: 17
Radtage: 11
Verlauf: Dublin/Airport (Start) – Belfast – Nordküste (Coastal Route) – Derry – Westküste (Wild Atlantik Way) – Galway – Dublin (Ziel)
Kilometer gesamt: 1256
Radkilometer: 787
Zeltnächte: 9
B&B-Nächte: 7

DANK an:
Dominik Mandl (COOPERATIVE FAHRRAD) www.fahrrad.co.at
Mirjam & Robert (TREKSPORT) www.treksport.com
Elisabeth «Lili» Hundstorfer (LILI RECORDS)
Straßenzeitung AUGUSTIN https://augustin.or.at
&
allen BOLG-LESER_INNEN
&
der LIEBSTEN!

… bis demnächst
MaRIO

Quer durch die Stadt, eine Wall of Fame und der Griff ins Dekolleté


16. Tag: Montag, 29. Juli

Strecke: Dublin

Im Imbiss unter der Schlafkammer herrscht geschäftiges Treiben bis spät in die Nacht. Trotzdem, wunderbar geschlafen in meiner Rumpelkammer in der Belvidere Road.
In der Früh geht es von Norden nach Süden einmal quer durch die Stadt. Übersetzt auf Wien, einmal «Kagran – Perchtholdsdorf» tour-retour. In Goatstown wartet eine Transport-Verpackung für mein Brompton-Faltrad. Mit einem großen «Karton-Rucksack» am Rücken führt der Weg zurück in Richtung Stadt.
Das Zentrum von Dublin trennt der Liffey River. Die Innenstadt wirkt wie ein einziger, großer Pub. Viele bunte Holzläden verleiten zum Bierkonsum unterbrochen von Backsteinbauten. Noch einmal eintauchen in die Höhle des Löwen: In Temple Bar dem Vergnügungsviertel der Stadt gibt es Live-Musik schon zum Mittagstisch. Es gibt ein Irish Rock’n’Roll Museum und eine Wall of Fame der irischen Rock-Elite. In den Straßen von Dublin hat auch der kleine Bono (Vox/U2/Sunday Bloody Sunday) den Rock’n’Roll gelernt, bevor er Weltstar wurde und sich zum Jesus der Rockmusik hochspielte. Anderen Kolleg_innen aus Dublin ist der Rock’n’Roll-Lifestyle nicht so gut bekommen: Phil Lynott (Thin Lizzy/The Boys Are Back in Town) hat es mit den Rauschmitteln übertrieben und starb mit 47 Jahren. Sinéad O’Connor (Nothing Compares 2 U) kämpft immer wieder mit ihren Dämonen im Kopf. Bob Geldof (Boomtown Rats/I Don’t Like Mondays/Live Aid) wurde von der Queen zum Ritter geschlagen, darf den Titel «Sir» aber nicht tragen, da er Staatsbürger der Republik Irland ist. Den wenigsten wird der Name Luke Kelly (1940 – 1994) geläufig sein, der irische Sänger und Banjo-Spieler war Mitbegründer der Irish-Folk-Gruppe The Dubliners, aber jetzt klingelt was?!
Ein weiteres Wahrzeichen ist die Molly Malone Statue, auch bekannt unter «Cockles and Mussels» („Herzmuscheln und Miesmuscheln“), einem bekannten irischen Volkslied und eine inoffizielle Hymne der Stadt. Die Ballade erzählt von einer schönen Dubliner Fischhändlerin, die in ihren jungen Jahren stirbt. Es soll Glück bringen der Dame ins Dekolleté zu greifen, die Herren haben sichtlich ihre Freude dabei und die dazugehörigen Damen schießen das Erinnerungsfoto. In der Meath Street in der Nähe des Guinness-Storehouse ist der Trubel dann vorbei, noch ein Erfrischungsgetränk und ab in den Norden der Stadt, dort wartet dann noch ein letztes.

Verloren in der Stadt, belegte Betten und verrücktes Hurling


 

15. Tag: Sonntag, 28. Juli

Strecke: Galway – Dublin (Bus)

Streckenlänge: 208 Kilometer

«Muscheln, Fisch & Pinot Grigio», dinieren wie ein Kaiser!
Mit dem Früh-Bus geht es von West nach Ost einmal quer über die Insel. Dublin am Sonntag um viertel Zehn (09:15) ist noch nicht munter und mein Bett ist noch nicht gemacht. Also die obligatorische Hop-On-Hop-Off-Tour mit dem Brompton durch die Stadt. Alle Klassiker im Schnelldurchlauf. Das unumgängliche Castle, unzählige Bethäuser, die Jameson Destillery (nur von außen!), … und ein Kurzbesuch in der Harry Street bei einem alten Bekannten. Phil Lynott (1949 – 1986, irischer Sänger, Bassist und Gründer der Band Thin Lizzy, hat ein Platzerl auf einem Sockel bekommen. Inzwischen sind alle wach und auf den Beinen, das Zentrum ein einziger Ameisenhaufen. Sonntagsruhezeiten haben sich nicht bis ins katholische Irland durchgerungen, viele Geschäfte bieten auch am Tag des Herren ihr Klumpert an. Nach so vielen Tagen in der Einsamkeit will das Eintauchen in die Stadt nicht gelingen. Wie schon Galway hat auch Dublin sein Festival «Hotter Than July» und mein fix gebuchtes Bett ist bereits belegt. Das Ersatzquartier liegt in einem Außenbezirk, frei von Tourist_innen, dafür überfüllt von Menschen in blau-gelben sowie violett-goldenen Trikots. Grund dafür ist das All-Irland Hurling Semifinale zwischen Wexford und Tipperary. Crazy Hurling! Ein irischer Nationalsport: Zwei Mannschaften zu je 15 Spielern, alle tragen einen Sturzhelm, versuchen einen kleinen Ball mit einem Holzschläger ins gegnerische Tor zu befördern. Da geht es ordentlich zur Sache. Im Pub, wo das Spiel übertragen wird ebenso. Die «Blau-Gelben» (Tipperary) sind alkoholtechnisch schon mehr als übererfrischt und dementsprechend verhaltensauffällig. Tipperary entscheidet in der Nachspielzeit das Match für sich und der Bierkonsum der Sieger kennt keine Grenzen!

PS: am Foto ist die Ordnung im Pub wiederhergestellt

Zieleinfahrt im Bus, Kulturhauptstadt 2020 und ein ordentliches «Dinner»


14. Tag: Samstag, 27. Juli

Strecke: Ballyconneely – Roundstone – Galway (Bus)

Streckenlänge: 92 Kilometer

Duften geht anders, es wird Zeit für die Zivilisation samt Bett und Dusche. Noch ein Breakfast-Tee am White Strand (siehe Foto: Blick von der Zelt-Haustür aus) und weiter den letzten Weg in Richtung Galway. In Galway ist dann Schluss mit Radfahren. Leider geht sich eine ordentliche Zieleinfahrt nicht mehr aus, in Roundstone reißt der Gepäcksträger-Gummi. Ein Transportmittel-Wechsel wird notwendig. Das Finish erledigt «Bus Eireean», eine wunderbare Buslinie. Eine Schande, der schönste Tag, nur Schäfchenwolken am Himmel und «i sitz im Bus»!
Der Plan wäre gewesen, ein kuscheliges Bett, eine Dusche, ein ausuferndes Abendmahl in Galway. Gekommen ist es anders: In Galway findet gerade das «Galway International Arts Festival» statt, alle Betten ausgebucht. Die Williams Street im (Klein-)Stadtzentrum ist ein einziges Geschiebe. Galway probt die «Kulturhauptstadt 2020». Die letzten Zimmer, auch die einfachsten, die noch zu haben sind, bewegen sich in einer Preisklasse von 100 Euro aufwärts. Ein «blader» Halsabschneider will für sein Sofa im allgemeinen Frühstücksraum 30 Euro ohne Alles. Auf wienerisch wäre die Antwort: «G.. s…….!» Verhungern kann man, erstinken nicht, also doch noch eine Nacht im mobilen Wohnheim. Auf das ausufernde «Dinner» wird aber nicht verzichtet und die Körpergpflege wird morgen nachgehholt, in Dublin ist das Zimmer fix gebucht!

Üppige Vielfalt, bis in die letzten Winkel und ein Ausflug in den Himmel


13. Tag: Freitag, 26. Juli

Strecke: Louisburgh – Leenaun – Tully Cross – Cleggan – Clifden – Ballyconneely

Streckenlänge: 101 Kilometer

Üppige Vielfalt, bis in die letzten Winkel und ein Ausflug in den Himmel

Es wäre so schön gewesen, hätte das Gewitter bis nach dem Zeltaufbau gewartet!
Die vorletzte Etappe beginnt vielversprechend. Sonne und Regen in der Dauerschleife, Regenbogen am laufenden Band, bis in Folge die Wolken das Schauspiel gegen die Sonne für sich entscheiden. Es schüttet als gäbe es kein morgen! Obwohl, die Strecke ist an Schönheit und Vielfalt nicht zu überbieten. Den Übergang der Provinz Connacht in die Region Connemara hat alles zu bieten: Almlandschaften zu ebener Erde, Bergwelten rundherum, rauhe Täler, tiefliegende Seen, verwunschene Wälder, Moorgebiete, unzählige Wasserfälle, … Nicht einmal das Wetter kann den Reiz der Umgebung schmälern. Auf allen Wegen allein auf weiter Flur, abgesehen von den Wollviechern. Ein einziger Menschenauflauf aus dem Nichts kurz vor Leenaun – der freitägliche Kirchgang!
Am späteren Nachmittag klärt sich der Himmel. Eigentlich wäre es ein Katzensprung nach Clifden der inoffiziellen Hauptstadt von Connemara, aber der «Wild-Atlantik-Way» fährt jeden Winkel der Insel aus und hat immer Überraschungen auf Lager. 3 Kilometer vor Clifden empfiehlt er einen Abstecher auf den «Sky-Road-Loop». Aus 3 Kilometern werden 15, rauf in die Höhe, rauf in den Himmel! Der Ausblick auf die Inselwelten ist «loveley», aber wird der Strapaze nicht gerecht!
Ausschnaufen bei einem Guinnes in Clifden und noch ein Stück weiter nach Ballyconneely. Das Haus steht diesmal am White Strand, Atlantik-Blick inklusive. Die letzte Zeltnacht, morgen wartet wieder ein gemachtes Bett.

Ein gestörtes Verhältnis, ein Greenway und ein Pilger-Berg


12. Tag: Donnerstag, 25. Juli

Strecke: Kildavnet Castle (Achill Island) – Mallaranny – Newport – Westport – Louisburgh

Streckenlänge: 76 Kilometer

Am angedachten Schlafplatz beim Kildavnet Castle grasen die Schafe. Schafe sind in Irland heilig und dürfen Alles – innerhalb und außerhalb der Zäune. Schafe vor der Burgruine, Schafe am Friedhof, Schafe auf der Straße, … Auch mein Platzerl ganz in der Nähe muss erst vom Mist der Mistviecher befreit werden. Mein Verhältnis zu Schafen ist im Moment etwas gestört!
Die Pattens Bar ist bestens gefüllt, lauter schon etwas angegraute Ladys und eine Hand voll ebensolcher Gentlemen. Grund für diesen Auflauf ist ein Kartenabend wie jeden Mittwoch. Die Liebste fragt: «Der Pub oder das Pub?» Egal, Hauptsache ein Pub!
Im Zelt sitzen und warten bis das Unwetter vergeht. Haushaltsarbeiten vertreiben die Zeit dabei. Die Insel-Rundfahrt wird auf Grund der Wetterlage abgesagt, es geht von der kleinen zurück auf die große Insel. Die Region von Achill Island bis nach Westport ist ein Radler_innen-Hot-Spot, ein idyllischer «Greenway» durch die Botanik ohne Abgase. Regen, Wolken und Sonne liefern sich ein spannendes Match. Die Landschaft hat den rauen Alm-Charakter verloren und wird wieder hügeliger. Menschen und Häuser sind zurückgekehrt und auch die internationalen Besucher_innen. Von Westport bis zum heutigem Nachtlager begleitet mich linker Hand der «heilige Berg» der Insel, der Croagh Patrick. Die nicht einmal 800 Meter hohe Kegelpyramide ist der «Jakobsweg» der Ir_innen. In Louisburgh drängt sich unerwartet eine Bettenstation auf – bremsen, absteigen und Rad-Aus!

Kleine Mistviecher, eine Alm zu ebener Erde und die ewige Schlafplatzsuche


11. Tag: Mittwoch, 24. Juli

Strecke: Benwee Head – Carrowteige – Bangor – Mallaranny – Kildavnet Castle (Achill Island)

Streckenlänge: 84 Kilometer

Am Schlafplatz wartet eine Legion von Schaf-Mücken auf ihr einziges Opfer. Winzig klein, sehr lästig und beißen tun sie auch!
Am Morgen verschwindet der Benwee Head im dichten Nebel und die «Irish-Breakfast-News» berichten vom neuen britischer Premier Boris Johnson. Eine Plaudertasche ohne klare Line für das (nord)irische Grenzproblem.
Kein Tag für Poeten, die Wetterlage trägt ihren Teil dazu bei. Richtung Süden ist das einzige Ziel, noch fehlt der Plan. Der Rundumblick, es schaut aus wie auf der Alm im November, nur die fehlenden Höhenmeter passen nicht ins Bild. In Bangor findet sich unverabredet ein Radler-Stammtisch zusammen, es wird fachgesimpelt und die Routen verglichen. Nach einem Guinnes ist der Spuk wieder vorüber. Radfahrer_innen sind nicht viele unterwegs, aber wenn, dann nehmen sie die Süd-Nord-Verbindung und nicht umgekehrt. Wer nicht planen will, muss fühlen! Der Wind will partout nicht gegen Süden blasen. Das Stimmungsbarometer ist im fallen, ein harter Arbeitstag! Über die Corraun Halbinsel rollen die Räder in Richtung Achill Island. Der Zeltplatz steht noch nicht fest, der Empfang auf der Insel entspricht nicht meinem Geschmack, zu viele Menschen. Lieber noch ein Stückerl weiter, weiter südlich gibt es ein Castle, wahrscheinlich eine Ruine und hoffentlich auch Ruhe!

ps: das Foto entspricht nicht der realen Wetterlage, ein einziges kurzes Sonnenfenster und schnell den Auslöser gedrückt!

Fast ein Raufhandel, der Wind macht die Stimmung und ein unsichtbarer Pub


10. Tag: Dienstag, 23. Juli

Strecke: Killala – Ballycastle – Downpatrick Head – Glenamoy – Carrowteige – Benwee Head

Streckenlänge: 71 Kilometer

Mein Nebenan am Tresen des «John Lynn’s» ist Teilzeitfarmer, leben davon geht sich nicht aus, «es gibt zu wenig Geld für Fleisch und Milch», sein Job bei Coca-Cola ernährt die Familie. Die abendliche Koch-Session wird von einer offensichtlich Wahnsinnigen und ihrem offensichtlich normalen Schäferhund unsanft unterbrochen. Beleidigungen werden ausgesprochen, Schimpfwörter fallen, Gegenstände fliegen durch die Luft, fast kommt es zum Raufhandel. Irgendwann schleicht sie die B…. und es darf weitergekocht werden.
Der Tag beginnt wie jeder Zelttag mit einem Häferl-Kaffee. Die Sonne zeigt sich, obwohl die drohend schwarzen Wolken, immer auf Bereitschaft am Himmel mitziehen. Heute kommen fast alle Windrichtungen zum Einsatz, es beginnt mit Rückenwind, später kommt er von links und noch später auf Konfrontationskurs. Mit der Windrichtung ändert sich auch die jeweilige Stimmung. In den besten Momenten gibt es Anflüge vom Gefühl der absoluten Freiheit!
Der Downpatrick Head mit seinem gigantischen Brandungspfeiler ist der erste Kick des Tages (Foto). Zu Fuß geht es über eine Gasbuckelpiste zum Klippenrand. Ab Ballycastle verändert sich die Landschaft, die Gegend wird rauer. Es verschwinden die Häuser, es verschwinden die Automobile und es verschwinden auch teilweise die Zäune, die Schafe haben Freigang! Die heutige Endstation ist der Benwee Head, ein einsamer Zipfel am Ende der Insel. Klippen und grüne Hügel soweit das Auge reicht. Am Weg dorthin wenige verstreute Häuser, eine einsame Einkaufsmöglichkeit und ein unsichtbarer Pub. Kein Wegweiser, keine Bierwerbung, kein Garnichts. Beim dritten Anlauf gibt es dann doch noch Internetz und Guiness!