Schlechtwetterprogramm, multiple Fortbewegung und Danke Ladomirov!


6. Tag: Mittwoch, 24. September 2025

Strecke: Levoča – Prešov – Humenné – Stakčín – Ladomirov

Streckenlänge: 156 km (gesamt 631 km)

Die Dauerberieselung lässt sich nicht ausschalten … Um den über Nacht aufgetrockneten Hausstand trocken zu halten, wird das Rad heute nur Zubringerdienste leisten müssen.

Erste Station, Busbahnhof Levoča. Erster Zielhafen, Prešov. Das Wetter macht die Musik, aktuell bläst es einen Trauermarsch. Die Temperaturen schaffen es gerade noch zweistellig zu bleiben. Unter diesen Bedingungen kann auch die drittgrößte Stadt des Landes keinen Blumenstrauß gewinnen.  Nächster Halt, Bahnhof Prešov. Ein Pimperlzug kämpft sich weiter nach Humenné. Umstieg nach Stakčín. Die letzten Bahnkilometer erledigt ein Prachtexemplar von einem Zug, modern und ausreichend Platz für Sack und Pack. Endbahnhof, Stakčín.

Die finalen 13 Kilometer bis zur letzten Schlafstation in der Slowakei kommt noch einmal der Bobo-Porsche zum Einsatz.

In Ladomirov ist endgültig Schluss. Eine Ansammlung von Häusern, keine Einkaufsmöglichkeiten, kein Wirtshaus, kein Irgendwas. Das letzte Bett vor der ukrainischen Grenze soll hier stehen. Die verzeichnete Unterkunft befindet sich im Ruhezustand. Und wieder hilft die mündlich direkte und die mobile Kommunikation. Nach allen aufgebrachten Regeln der Kunst öffnen sich geschlossene Pforten und sogar ein Abendessen samt Erfrischungsgetränken wird herbeigezaubert. Ďakujem za všetko!

Der frühe Vogel, Sauwetter und ein abgerocktes Schmuckstück


5. Tag: Dienstag, 23. September 2025

Strecke: Liptovský Mikuláš – Liptovský Hrádok – Hybe – Východná – Štrba – Poprad – Levoča

Streckenlänge: 89 km (gesamt 475 km)

Der frühe Vogel fängt den Wurm! Haus, Bett und Küche sind schon gefaltet und im Gebäck verstaut. Auch der gestrige Tag ist bereits wieder verdaut. Abfahrt 8:45 Uhr. Der heutige Tag wird voraussichtlich ein langer …

Die ersten 20 Kilometer rollen wie Butter, ab Hybe verschwinden auch die meisten anderen Verkehrsteilnehmer, ab jetzt regiert der Bobo-Porsche! Die Aussicht ist bescheiden, die umliegende Bergwelt versteckt sich hinter dichten Nebelwolken. Die Straßenhoheit wird getrübt durch einsetzenden Regen. Aus Tröpferl werden Tropfen, wenige Ortschaften weiter sind Rad und Fahrer waschelnass. Es ergibt sich eine Kurzstrecke von einer Station mit der Bahn. Am Bahnsteig bitten Schwammerlsammler um eine Zigarette und revanchieren sich mit einem Vodka. Na zdravie!

Poprad im Regen, eine Stadt am Fuße der Hohen Tatra, kann wetterbedingt nicht gewinnen. Eine gute Tat wird als einzige Erinnerung übrigbleiben. Ein kleiner Bub verzweifelt an seinem nicht mehr fahrbereiten Rad. Eine spontane Erste-Hilfe-Leistung löst das Problem.

Der Regen hat sich manifestiert, die Stimmung ist abgesoffen. Ein bummvoller Bus transportiert Mensch und Maschine die letzten Kilometer bis zur Bettenstation.

In Levoča wartet heute ein gemachtes Bett. Haus, Bett und Gepäck müssen auftrocknen. Kaum angekommen hat es ausgeregnet, die gewonnene Zeit wird mit einem Stadtrundgang veredelt. Levoča wurde wegen seines gut erhaltenen Stadtzentrums zum Weltkulturerbe erklärt. Dem außergewöhnliche Hauptplatz mit seinen vielen Kulturdenkmälern kann selbst das mieselsüchtige Wetter nichts anhaben. Aber auch sonst ist Levoča anders, die Stadt mit der großen Mauer rundherum vereint Eleganz und Zerfall in seiner besten Ausformung. In diesem Sinne – Dobrú noc!

Eine Bahnfahrt, ein Höllenritt und rundherum die Tatra


4. Tag: Montag, 22. September 2025

Strecke: Trenčín – Žilina – Martin – Sučany – Liptovský Mikuláš

Streckenlänge: 184 km (gesamt 386 km)

Die letzten Kilometer des Vortages bestärken den Entschluss bis Žilina auf die Gleise umzusteigen. Zusätzlich müssen auf Grund der Schlechtwettervorhersage Kilometer gemacht werden. Vom Zugfenster aus gewinnt die Landschaft wieder ihre Reize. Die Waag begleitet die Fahrt und die Bergwelt rückt näher.

Žilina, eine Industriestadt in der Nordwest-Slowakei ist von etlichen Gebirgsketten umschlossen, alle gehören zu den Westkarpaten. Auch hier fließt die Waag und vom Bahnhof sind es nur wenige Radumdrehungen bis zum Stadtzentrum. Etwas nördlicher geben sich Tschechien und Polen die Hand. Von hier aus wird wieder aufgesattelt. Ab der Stadtausfahrt beginnt ein Höllenritt. Die Bundesstraße 18 und die Europastraße 50 teilen sich eine einzige Fahrspur. Zum Individualverkehr gesellt sich der Schwerverkehr. Der Pannenstreifen, wenn vorhanden, ist kaum einen Meter breit und in schlechtem Zustand. Von links drängen die schweren Brummer, von rechts peitschen die Büsche. Bei Martin teilen sich die beiden Verkehrswege. Die Drängelei bleibt. Nach einem klärenden Erfrischungsgetränk wird noch einmal der Bahn der Vorzug gegeben.

In Liptovský Mikuláš wird ein weiteres Mal umgesattelt. Die Stadt in der mittleren Slowakei liegt 576 Meter über dem Meer und rüstet sich gerade für ein Oktoberfest. Die Waag ist auch wieder im Spiel und diesmal sind es West- und Niedere Tatra die die Stadt einkesseln.

Zur Erholung sind es nur noch wenige Kilometer hinein ins Land. Ein wenig abgeschieden in einer Winterregion, stehen Rad und Zelt auf einer vom Wald umzingelten Wiese mit traumhaften Panoramablick. Ein Wirtshaus ist auch in Reichweite was die Stimmung wieder aufpäppelt.

Ein Jahrmarkt, eine Kulturhauptstadt,  und ein slowakisches Nationalgericht


3. Tag: Sonntag, 21. September 2025

Strecke: Jablonka – Stará Turá – Nové Mesto nad Váhom – Trenčín

Streckenlänge: 54 km (gesamt 202 km)

Die unaufgeregte, liebliche Landschaft breitet sich auch weiterhin aus. Die Bedürfnisse von daheim rücken in weite Ferne, auf Reisen zählen die vordergründig banalen Dinge: Trinkwasser (für den Instantkaffee), Strom (für die Mobilgeräte), Erfrischungsgetränke (für den Geist), ein Wirtshaus  (zur Stärkung), eine Dusche (für die Reinwaschung) und ein gescheites Häusl (für die Morgentoilette).

In Nové Mesto nad Váhom ist Jahrmarkt, es riecht nach Zuckerwatte und Trdelník (Baumkuchen). Der Hauptplatz ist als solcher nicht wahrnehmbar, Trink und Fressstände verstellen den Gesamteindruck.

Ab Nové Mesto verliert sich die Romantik am Asphalt, eingezwickt zwischen Autobahn und slowakischer Bundesbahn. Auch der Sonntagsverkehr ist erheblich angeschwollen, auf den letzten 20 Kilometern überwältigt die Pflicht die Kür.

In Trenčín, der Europäischen Kulturhauptstadt 2026, kommen die Räder zum Stillstand. Ein echtes Schmuckkasterl: Ein langgezogener Hauptplatz, darüber am Berg eine herzeigbare Burg, eine imposante Synagoge, ein Stadtturm, … In der Kulturhauptstadt in spe wird fleißig umgestaltet und wie bei vielen Behübschungen werden typische Kanten ausgemerzt. Trenčín wird, so die Befürchtung, eine austauschbare Stadt „mit Mascherl“ wie so viele andere.

Das Mobilheim steht heute auf einer Insel inmitten der Waag (Váh), dem längsten Fluss der Slowakei, mit Blick auf die Burg. Nach dem Trubel der Innenstadt stehen Halušky (Erdäpfelnockerln, das slowakische Nationalgericht) in einem Vorstadtgasthaus auf dem Speiseplan. Schon bald geht das Licht aus und die Augenklappen fallen.

Die Kleinen Karpaten, seltene Ostrelikte und Probleme mit der Schlafplatzfindung


2.Tag: Samstag, 20. September 2025

Strecke: Kuchyňa – Rohožník – Jablonica – Brezová pod Bradlom – Jablonka

Streckenlänge: 66 km (gesamt 148 km)

Gegensätzlich zu den erfreulichen Preise für Erfrischungsgetränke gestalten sich die Campingpreise für Rad- plus Zeltreisende …

Felder und Weiden säumen die Straße, vereinzelt Pferde und Rindsviecher. Ab Rohožník stechen die ersten Berge ins Auge und wecken Befürchtungen. Zusätzlich geht der Wind in Opposition zur Fahrtrichtung.

In den kleinen Dörfern kreisen noch fahrende Händler durch die Straßen und bewerben mittels Lautsprecher ihr Angebot. Ansonsten schlängelt sich die 501er (später die 499er) entlang und durch die Kleinen Karpaten. Die Steigungen bleiben vorerst bewältigbar. Die Ortschaften entlang der Strecke drängen sich nicht um eine Hervorhebung: Kleinhäuseln, vereinzelt Wohnblöcke sozialistischer Bauart, einen Kirchturm hat jedes Kaff, nur Menschen sind kaum unterwegs. Inzwischen selten, ein Ostblockrelikt für Nostalgiker:innen.

Die Hürde des Tages ist das Aufspüren des Schlafplatzes. Keine Tafel, kein Betreiber, nur eine Farm mit drei aufgeregten Hunden. Die mobile Kommunikation macht es dann doch noch möglich, mit Händen, Füßen und Fotos … Ein Traumplatzerl ohne Lichtverschmutzung, nur die sanitären Anlagen haben Luft nach oben: Plumpsklo und kein fließend Wasser!

Vom Nordbahnviertel nach Lwiw


1.Tag: Freitag, 19. September 2025

Strecke: Lembergstraße, 1020 Wien – Gänserndorf – Angern a. d. March (A) –Záhorská Ves (SK) – Malacky – Kuchyňa

Streckenlänge: 82 km

Bei Kaiserwetter finden sich Fahrer und Bobo-Porsche am Praterstern ein. Dicht unter der hochfahrenden Schnellbahn versteckt sich die Lembergstraße im schicken Nordbahnviertel. Von hier aus geht die Reise in die gleichnamige Stadt, das heutige Lwiw in der Westukraine.

Die Stadtausfahrt führt größtenteils auf Radwegen zuerst über den großen Schdrom, durch Transdanubien, vorbei an der Seestadt Richtung Nordosten. In der Prärie von Wien findet sich noch Platz um zwei außergewöhnlichen Frauen eine Mini-Straße zu widmen. Die Kaffeehauslegende Josefine Hawelka und die Tiermutti der Nation Edith Klinger sind der Stadt gerade einmal ein „Weg(erl)“ wert.

Weiter geht es durch die unendlichen Weiten der Region Marchfeld wo auf den Feldern das heimische Tiefkühlgemüse geerntet wird. Der Kukuruz ist größtenteils schon abgeerntet, auf der Erde kugelt noch der Zwiebel. Später, kurz vor der Staatsgrenze, folgt auf das Gemüse das Obst und die ersten Weinberge drängen sich ins Blickfeld. Bei Angern an der March wird der ehemalig undurchdringliche „Eiserne Vorhang“ per Autofähre über die March durchschnitten. Am anderen Ufer lockt die Slowakei mit Bierpreisen wie vor 30 Jahren, ein Stop auf ein Erfrischungsgetränk ist unausweichlich. Auf die heimische folgt die slowakische Landwirtschaft und hinter Malacky tragen Menschen Körbe voller Schwammerl aus den Wäldern.

Schön langsam wird der Körper müde, der Wille eilt zur Hilfe und treibt das Gespann zum angepeilten Campingplatz nahe Kuchyňa.

Entschleunigte Anreise, klappernde Störche und immer den Schdrom entlang


  1. Tag: Donnerstag, 12. Mai

Strecke: Wien – Kittsee (AT) – Komárno (SK) – Štúrovo – Esztergom (HU) – Dömös

Streckenlänge: 242 km

Vorhang auf – endlich wieder! Die Mutation ist frühjahrsmüde und die Koffer werden wieder gepackt. Diesmal bleibt das muskelbetriebene Zweirad zusammengefaltet zu Hause und das benzinbetriebene Vierrad wird aktiviert. Für den Anreisetag ist eine Kurzstrecke die beste Option. Auf entschleunigten Wegen jenseits der Hauptverkehrsadern werden Grenzen getauscht. Die erste Station ist das slowakische Komárno, die Schwesterstadt der ungarischen Ansiedlung Komárom, getrennt durch den Schdrom, miteinander verbunden durch drei Brücken. Irgendwann waren die beiden Hälften eins, heute liegt das einstige Stadtzentrum auf der slowakischen Seite. Auch die Festung des einstigen Königsreichs Ungarn, wo sich bereits die anstürmenden Osmanen die Zähne ausgebissen haben. Darüber hinaus öffnete der Komponist Franz Lehár in der ehemaligen K&K Monarchiestadt das erste Mal seine Augen. In den Dörfern am Weg klappern die Störche, einige Radumdrehungen weiter, thront am ungarischen Donauufer die Basilika von Esztergom. Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis zur heutigen Bettenstation, das Zelt steht fast direkt am Schdrom. Das Nass ist noch kühl, sich schdromabwärts treiben zu lassen macht große Freude. Die Reiseschiffe in der Gegenrichtung plagen sich dafür ordentlich …

ps: „Schdrom“ (© Ernst Molden), gleichzeitig eine schwer ans Herz gelegte Schallplattenempfehlung (2016 erschienen bei Monkey Music), steht für die Donau.

Länder im Schnelldurchlauf, offene Wunden und ein Fluss namens Una


2. Tag: Dienstag, 18. September

Strecke: Dedenitz (A) – Ptuj (SLO) – Zagreb (CRO) – Slunj – Bihać (BiH)

Zuerst war es der Nebel der sich dicht über den Feldern breit machte, dann arbeitete sich die Sonne durch die Bäume in Richtung Himmel und mit ihr kamen die Rehe.
Vier Länder im Zeitraffer: Einen letzten Katzensprung durch Österreich, auf schmalen Landstraßen durch Slowenien, auf breiten Highways bis Karlovac und weiter auf geschlungenen Wegen durch Kroatien bis ins bosnische Bihać, wo einsam am Ufer des Una Flusses unser Zelt-Haus steht.
Ab Karlovac zeigen sich immer noch die nicht verheilten Wunden des Jugoslawienkrieges – verwaiste Häuser, Einschusslöcher, Kriegsruinen. Die Kleinstadt Bihać erlangte als belagerte Enklave weltweite Aufmerksamkeit. An der Oberfläche ist wieder Ruhe eingekehrt und im «Restoran Sunce» direkt an der Una springen die Fische, freuen sich die Enten über Brotreste und die Pljeskavica schmecken wie damals. Einzig der nicht hohe, dafür breite Wasserfall rumort.

Die March, der verschwundene Zielhafen und a bissi traurig


38. Tag: Donnerstag, 20. Juli

Karte

Strecke: Valtice – Břeclav (CZ) –Reintal (A) – Rabensburg – Hohenau (A) – Vysoká pri Morave (SK) – Devín – Bratislava

Streckenlänge: 106 km

Heute sag ich Tschechien Baba und nach einem kurzen Österreich-Gastspiel tauche ich ein in die Slowakei. Nach Hohenau wird die March (Morava) überquert. Die March ist sowohl Grenzfluss der Slowakei mit Tschechien als auch auf 91 Kilometer mit Österreich. Bei Devin kurz vor Bratislava mischt sie sich in die Donau und reist mit ihr ins Schwarze Meer. Die March ist fast den ganzen Tag meine Begleiterin. Aulandschaften, Felder, Wälder auf der ganzen Strecke. Ein Phänomen: Kaum glaubt man alles „in trockenen Tüchern“ zu haben, passiert ein Hoppala und ich lande in der Botanik. Ein See neben einer Industrieruine wird holprig umrundet bis wieder, wie aus dem Nichts, der Radweg auftaucht. Auf dem Ganzen Weg gibt es nur zwei grenzüberschreitende Verbindungsstraßen (abgesehen von einer kleinen Autofähre bei Angern, und einer Fahrradbrücke bei Schlosshof), eine in Hohenau, die nächste erst wieder in Bratislava. Am Zusammenfluss von March und Donau steht das „Tor zur Freiheit“ zum Gedenken an die 400 Menschen die in der Tschechoslowakei bei Fluchtversuchen ums Leben gekommen sind. In Devin, oben thront die Burgruine, unten suche ich vergeblich nach meinem Lieblingsort an der Donau. Das kleine schrullige Fisch- und Grill-Imbiss, direkt am Wasser nahe der Schiffanlegestation, ist verschwunden. Das wäre mein ideeller Zielhafen gewesen. Schwer enttäuscht trete ich die letzten Kilometer bis nach Bratislava. Hier schließt sich ein Kreis, mit heute ist die „Eiserne-Vorhang“-Strecke von St. Petersburg (RUS) bis nach Tsarevo (BG) vollständig abgeradelt. Das Bett für die letzte Nacht in der Fremde schaukelt in einem Schiff direkt auf der Donau und während des Blog-Schreibens schaue ich direkt auf die Bratislaver Ufo-Brücke. Trotz Freude auf zu Hause bin i a bissi traurig!