Wintereinbruch, ein Bummel-Zug und ein Kaff mit Burg



3. Tag: Sonntag, 10. Dezember 2023

Strecke: Komárom – Almásfüzitő – Esztergom – Dömös – Visegrád

Streckenlänge: 79 km (283 km)

Der morgendliche Blick aus dem Fenster verspricht nichts Gutes: Ein Meer in Weiß. Der Wurlitzer im Kopf legt gleich die passende Schallplatte auf: „De Woaheit is so weiss wie Schnee“, ein Wolfgang Ambros Klassiker aus seinen besten Zeiten.
Die gestrige Verzweiflung hat sich trotz Wetterkatastrophe weitgehend aufgelöst. Aufgeben? Aufgegeben wird ein Brief!
Komárom ist eine geteilte Stadt, der nördliche Teil gehört seit 1920 zur Slowakei (Komárno). Die beiden Stadtteile sind durch die Donau voneinander getrennt und durch drei Brücken miteinander verbunden. Vom ungarischen Teil gibt es weniger zu erzählen, bis auf die Geburt zweier außergewöhnlichen Persönlichkeiten. Der eine, Theodor Körner, so erzählt die Legende, wäre auch bei einem Wetter wie heute nur im Anzug, ohne Hut und Mantel, außer Haus gegangen. Über den einstigen Wiener Bürgermeister und späteren Bundespräsidenten gäbe es noch einige weitere skurrile Anekdoten. Der andere, Franz Lehár, hatte ein Händchen für volkstümlich klassische Melodien. Er hat uns unter anderen die Operette „Die lustige Wittwe“ beschert.
Die Hauptstraßen bieten ein Schlachtfeld aus Schnee, Eis, Matsch. Die Radwege hingegen strahlen in jungfräulichem Weiß. Herausfordernd zu befahren sind beide.
Die Landschaft rundherum wirkt als hätte sie alle ihre Farben verloren, wie eine Fotografie in Schwarz und Weiß. Vereinzelte realsozialistische Überreste säumen den Straßenrand. In Almásfüzitő wartet ein Bummel-Zug allein auf weißer Flur auf Mitreisende. Ein Hoch auf das Faltrad, drei Handgriffe und Rad sowie Fahrer sitzen im ausgemergelten Triebwagen und warten auf die Abfahrt nach Esztergom.
Ein Dom auf einem Hügel beherrscht die einstige Hauptstadt des Königreichs Ungarn. Am Fuße führt ein Traum von einem Radweg direkt am Schdrom entlang. Die Fähranlegestelle von Dömös lädt zu verweilen ein und die letzten Kilometer auf der Bundesstraße nach Visegrád sind mehr Kür als Pflicht. Visegrád ist ein Kaff mit einer Burg am Berg. Der Rundblick von oben bietet ein eindrucksvolles Donau-Panorama. In den Sommermonaten wird der Ort zum Tourismusmagnet, in der kalten Jahreszeit hält er seinen Winterschlaf. Es gibt keine Punsch-Hütten, dafür ein ordentliches Gasthaus. In der urigen Wirtsstube der Gulyás Csárda wird hemdsärmelige Hausmannskost serviert. 
Draussen vor der Tür wird von Tages- auf Kunstlicht umgestellt. Am Bergkegel erstrahlt die Königsburg und am Boden hüllt sich der Schdrom in  Dunkelheit.