Durchlüften, Selbstgespräche und Ostslawonien statt Adria



10. Tag: Sonntag, 17. Dezember 2023

Strecke: Vukovar – Opatovac – Šarengrad – Ilok

Streckenlänge: 36 km (678 km)

Nach der gestrigen Verbreitung schlechter Stimmung, wieder zurück zu den Reisefreuden: Heute wartet eine Kurzstrecke, der restliche kroatische Abschnitt an der Donau und auch das Wetter befindet sich in Sonntagslaune!
Die Etappe  von Vukovar nach Ilok ist eine meditative, ideal um den Kürbis einmal ordentlich durchzublasen. Eine einsame Straße, Felder, Obstplantagen, Weinanbau, unterbrochen von Geisterdörfer. In den letzten 20 Jahren keine Veränderung. Opatovac hat ein einziges Beisl, sehr aus der Zeit gefallen, eigentlich genau das Richtige. Der Schwabo mit dem Zwergenrad wird bedient, weitere Aufmerksamkeiten werden nicht verschwendet.
Nach zehn Tagen allein auf weiter Flur schleichen sich die ersten Selbstgespräche in den Radalltag. Zwischenmenschlicher Austausch passiert leider selten. Einerseits die gegenseitigen Sprachbarrieren, andererseits die winterliche Zugeknöpftheit. Das nicht Verstehen hat auch Vorteile, nicht jede Ausscheidung will gehört werden, aber auch die brennenden Fragen bleiben somit unbeantwortet.
Andere Radreisende gibt es nicht. Apropos Radfahren, in Ortschaften/Städten wird der Drahtesel für Kurzstrecken oder Besorgungen eingesetzt. Und in vielen Fällen muss das Rad herhalten weil sich die zusätzlichen zwei Reifen, schlicht und ergreifend, finanziell nicht ausgehen.
Ilok liegt im letzten Zipfel Ostslawoniens, umzingelt von Serbien. Auch in Ilok hat sich wenig bewegt, einzig der „Alte Weinkeller“ der Stadt ist neben dem Bethaus und dem Kloster herausgeputzt. Auch die Preisgestaltung ist würzig. Und am Iloker Burggemäuer wird gerade gearbeitet. Aber auch rundherum wäre Renovierung von Nöten. Weniger Geld an die Adria, der Osten Slawoniens braucht es dringender, ein Paradies am Schdrom ohne Zuwendungen!

Kreuze, Wasserturm und trübe Gedanken trotz heiterer Wetterlage



9. Tag: Samstag, 16. Dezember 2023

Strecke: Osijek – Dalj – Vukovar

Streckenlänge: 47 km (642 km)

Das Wetterpendel hat in die richtige Richtung umgeschlagen, die Wolken haben die Flucht ergriffen. Noch ein Stück die Drau entlang und eingebogen auf die Dunav-Route. Nördlich verliert sich die Drau in der Donau, schdromabwärts liegt Vukovar direkt am Fluss.
Kreuze und Gräber erinnern immer wieder an die dunkelsten Zeiten des jugoslawischen Zerfalls. Die Schlacht um Vukovar war, nach sich häufenden Zusammenstößen zwischen Kroaten und Serben, der Beginn des vier Jahre lang  andauernden Kroatienkrieges.
Der Wasserturm wurde in Folge von der Jugoslawischen Volksarmee zerstört und gilt seither als Mahnmal des Jugoslawienkrieges. Die Ruine wurde renoviert, ein Lift eingebaut und in ein Museum umgewandelt. Der Lift ist derzeit außer Betrieb und es müssen 198 Stufen zum Schauraum überwunden werden. Die Aussichtsplattform bietet einen 360-Grad-Ausblick: Das Stadtzentrum, das Umland und der Schdrom von Nord nach Süd, bis zum Horizont! Trotz des bestechenden Panoramas aus luftiger Höhe bleibt die Stimmung, der Geschichte wegen, im Keller.
Auch 28 Jahre nach dem Friedensschluss klebt der Krieg untrennbar an dieser Stadt. Baulich ist vieles bereits beseitigt und die Stadt funktioniert an der Oberfläche. Unverständlich aber wahr, als erstes werden immer die jeweiligen Bethäuser aufgemascherlt. 
Kroaten als auch Serben wohnen wieder in der Stadt, aber nicht gemeinsam, jede Ethnie lebt für sich und das tägliche Leben bringt kaum Berührungspunkte: Eigene Schulen, eigene Lokale, eigene Läden.
Der alte zentrale Markt gleicht einer Geisterstadt, stattdessen befriedigen internationale Ketten und moderne Glaskobel die Bedürfnisse der Menschen. Das zentrale, noch aus besseren Jugo-Zeiten, am Fluss gelegene Hotel Dunav ist eine Ruine. Orte der Zusammenkunft sind spärlich. Sogar die landesübliche „Hauptspeise“, die Ćevapi ziehen gegenüber dem importierten Kebab-Spieß den Kürzeren. Und selbst am Adventmarkt ist die Stimmung verhalten, da hilft auch keine ohrenbetäubende Beschallung …
Ein trüber Tag trotz des strahlend blauen Himmels.

Die Drau, ein Nationalisten-Treffen und der rote Fićo



8. Tag: Freitag, 15. Dezember 2023

Strecke: Bezdan (SRB) – Batina (HR) – Osijek

Streckenlänge: 46 km (595 km)

Vor dem Fenster der Čarda Šebešfok, geht gerade die Sonne auf. Reiher gleiten lautlos über die unzähligen Donaukanäle auf der Sche nach einem Frühstück. Eine Brücke über den Schdrom verbindet Serbien mit seinem Nachbarn Kroatien. Die Grenzformalitäten sind schnell abgehandelt. Hoch über Batina erinnert ein Kriegerdenkmal an die Schlacht von Batina von 1944, bei der sowjetische und jugoslawische Verbände die deutschen Truppen besiegten. Der Osten Slawoniens ist auch bekannt für die Früchte seiner Rebstöcke. Kleine Kellereien laden zur Verkostung. Guter Boder, viel Wasser, viel Sonne – ein Glaserl Graševina vertreibt die üble Laune. Die Ortschaften am Weg nach Osijek wirken allesamt ausgestorben, alte ländliche  Bausubstanz vergammelt am Wegesrand. Der Weg in die viertgrößte kroatische Stadt führt über die Drava/Drau. Als erstes sticht die ausgedehnte Festungsanlage Tvrđa ins Auge. Als Bollwerk gegen die Osmanen gebaut, ist sie gleichzeitig die heutige Altstadt. Osijek ist das wirtschaftliche Zentrum Ostslawoniens und die Europska avenija verbindet den alten Stadtkern mit dem neuen.
Der Kroatienkrieg ist lange her und trotzdem allgegenwärtig. Viele Gebäude im Stadtbild stellen ihre Kriegswunden noch ungeschminkt zur Schau. 
Am Hauptplatz toben die Tauben, der zentrale Platz ist nach dem Nationalisten Ante Starčević benannt, auf dem Sockel unter seinem Denkmal stehen die verstörenden Zeilen: „Mächtiger als das Recht des kroatischen Volkes auf Selbstbestimmung sind nur die Gesetze Gottes und der Natur. Gott und Kroatien.“ Einen Steinwurf entfernt, am Trg Slobode, dem Freiheitsplatz, steht Franjo Tuđman im Spazierschritt auf einem steinernen Podest, würde er weitergehen können, würde er die vielen Blumen zu seinen Füßen zertreten. An der Vukovarska cesta sorgt der „Crveni fićo“ für Aufsehen. „Der rote Fićo überfährt den Panzer“, eine Installation aus den Nachkriegsjahren, ein roter Zastava überrollt einen Panzer der Jugoslawischen Volksarmee. Ein Symbol des Widerstands der Bürger_innen von Osijek gegen die serbische Agression, das Kunstwerk soll an den kroatischen Sieg erinnern.
Den Rest des Abend nehmen banale Tätigkeiten wie Körperpflege in Anspruch. Morgen gibt es als Krönung eine frische Panier, weil Samstag is.

Stadflanerie, ein Spitzenwert und eine Zusammenfassung


  1. Tag: Samstag, 22. Juli 2023

Strecke: Zagreb – Lepoglava (HR) – Gornja Radgona (SLO) – Bad Radkersburg (A) – Wien

Streckenlänge: 355 km (gesamt 10.006 km)

Letzte Tage haben etwas Wehmütiges, ein Spaziergang durch Zagreb soll das Unvermeidliche noch einmal verzögern. Viele Ecken der Hauptstadt erinnern an das monarchische Wien, das Schöne an Zagreb, es ist noch nicht ganz so kaputt renoviert. Die Ilica ist gleichzeitig Flaniermeile und längste Straße des Landes, am Ban-Jelačić-Platz wird die Folklore hochgehalten, die Kathedrale der Stadt versteckt sich hinter einem fetten Gerüst und am Hauptmarkt treten sich Tourist_innen und Einheimische gegenseitig auf die Zehen.
Eine letzte Mahlzeit, ein letzter Schluck, ein weiteres Unwetter, zwei weitere Grenzüberschreitungen, …, kurz vor Wien wird noch ein Spitzenwert überschritten, in Worten: „Zehntausend“ gefahrene Kilometer!!!

Zum Abschied eine Zusammenfassung:

Reisetage: 32
Länder: Österreich, Ungarn, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Georgien, Armenien, Griechenland, Nordmazedonien, Albanien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Slowenien
Gefahrene Kilometer: 10.006
Übernachtungen: 18 Zeltnächte, 14 Nächte im gemachten Bett

Vielen Dank für’s Lesen, Mitreisen, Mitfiebern … Im September/Oktober startet die nächste Ausfahrt, dann wieder mit dem Bobo-Porsche, dem Brompton-Faltrad!
Alles Liebe & Dank
Mario & Justine

Morgenstunden, die letzte Nacht und eine liebe Familie


  1. Tag: Freitag, 21. Juli 2023

Strecke: Bosanska Krupa – Novi Grad – Kostajnica (BiH) – Hrvatska Kostajnica (HR) – Zagreb

Streckenlänge: 158 km (gesamt 9.651 km)

Die Morgenstunden, wenn die großen Campingriesen noch schlafen, wenn Fluss und Kaffee dampfen, sind die Schönsten.
Das zu Hause nähert sich in schnellen Schritten, noch ein Stück die Una entlang, ein weiterer Grenzübertritt und schon bald wartet die kroatische Hauptstadt und ganz liebe Freund_innen. Der Nachmittag/Abend wird verprasst mit Speis und Trank und ganz viel Plauderei – Hvala lijepa!

«Oldies but Goldies on Tour» (5): Omiš & Hinterland


Mittwoch, 24. Oktober

Zum Gaudium asiatischer Reisegruppen sind heute morgen die Römer in die Altstadt von Split eingedrungen. Arme Schweine in vertrottelten Kostümen. Mobile Bildermacher auf langen Stangen sind im Dauereinsatz! Schnell raus aus der Stadt …
Omiš:
Der Küstenort südlich von Split war einst eine Seeräuberhochburg. Heute ist Omiš ein fast harmloses Touristen-Dorf umgeben von hohen Felsen, mit einer herzeigbaren Altstadt, einer Burg, einem Fluss und einem ausgedehnten Strand. Gefährlich sind nur noch die Gehsteige, «Goldie-Karli» holt sich nach einem Sturz auf holprigen Umwegen ein blutiges Knie! Bis zum 94er ist alles wieder gut verheilt – versprochen!
Wir folgen dem Cetina-Fluss gegen den Lauf ins Hinterland. Felsendurchbrüche, geschundene Serpentinen-Straßen, steil abfallende Schluchten, traumhafte Ausblicke und ein Wasserfall. Aber irgendwann mündet auch die aufregendste Strecke in einer Autobahn und die führt retour nach Split. Das größte Abennteuer des heutigen Tages steht noch aus: bis der Tisch sich biegt, unser letztes Abendmahl!
Abendprogramm: im Bahnhofs-Tschocherl ist eine Bestellung nicht mehr von Nöten, der Herr Ober bringt automatisch das richtige Set – «Hvala» vielmals!

«Oldies but Goldies on Tour» (4): Šolta


Dienstag, 23. Oktober

Im Gegensatz zum Schiffernakel nach Brač ist die Fähre nach Šolta fast leer. Eine kleine Hand voll Touristen und der Postbus mit den neuesten Nachrichten vom Festland.
Šolta:
Gerade einmal 57 Quadratkilometer klein, besitzt Šolta eine einzige Hauptstraße. 17 Kilometer lang von Maslinica bis Stomorska, dazwischen liegt der Hauptort der Insel, das verschlafene Grohote. Die Abwege von der Hauptroute sind an den Fingern einer Hand zählbar, eine Abzweigung führt in die Bucht von Nečujam. Die «Goldies» waren bereits vor 55 Jahren in Nečujam. Damals gab es noch keine asphaltierte Hauptstraße, keine Autofähre und so gut wie keine Unterkünfte. Die Melancholie fängt an zu schwingen: «Goldie» Eins an «Goldie» Zwei: «Damals, weißt du noch …, schön das noch einmal zu erleben!» Anders als Brač ist Šolta nicht XL sondern S, weniger überlaufen, es gibt unzählige lauschige Badeplätze und eine goldene «Sandnase» ins Meer hat Šolta auch. Klarer Punktesieg für Šolta!
Abendprogramm @ Split: same, same (in Worten: Bahnhofs-Tschocherl mit Meerblick)!

«Oldies but Goldies on Tour» (3): Brač


Montag, 22. Oktober

Wir kehren Split den Rücken und widmen uns der Insel Brač. Die Fährlinie «Jadrolinija» verbindet das Festland mit den benachbarten Inseln.
Brač:
Die drittgrößte Adria-Insel wirbt mit ihrer Hauptattraktion, dem «Goldenen Horn», aber alles der Reihe nach. In Supetar legt der Schiffsriese an, entleert Pendler, Touristen und jede Menge Blech auf Rädern. Drei mehr oder weniger bemerkenswerte Stationen begegnen uns bis zu unserer Rückschiffung in Richtung Split. Ložišća im westlichen Teil der Insel liegt kriminell romantisch in Hügelwelten gebettet. Die einzige, einspurige Hauptstraße durch die Ortschaft wird abwechselnd jeweils nur in eine Richtung befahren. Der im Südwesten gelegene Küstenort Milna befindet sich bereits im Winterschlaf. Die Meute an Urlauber_innen ist längst abgereist, die meisten Lokale sind bumm zu und an den Ufern parken die unzählbaren Yachten der «Gstopften»! Die große Enttäuschung kommt zum Schluss an der Südküste bei Bol – das «Goldene Horn». Ein klingender Name für viele Tonnen Sand, die sich mehr oder weniger zufällig zu einer «Nase» direkt ins Meer hinaus geformt haben. Ein Schlaumeier aus der Tourismusindustrie hat dazu die Trademark «Goldenes Horn» erfunden und die Insel Brač verdient sich damit eine «Goldene Nase». Na Brač! Morgen wartet Šolta auf uns, die «kleine Schwester» von Brač.
Abendprogramm @ Split: same, same!

«Oldies but Goldies on Tour» (2): Trogir, Primošten, Rogoznica


Sonntag, 21. Oktober

Geschlafen wie ein Kaiser. Gefrühstückt wie die Kaiser inmitten des ehemaligen Palastes. Wir widmen uns gestärkt der nahe gelegenen Nachbarschaft.
Trogir:
Um den historischen Stadtkern – Wohnhäuser und Paläste aus den Perioden der Romanik, Gotik, Renaissance und Barock – fließt Wasser herum. Reisegruppen drängen sich durch die engen Gassen der Kulissenstadt. Trogir diente als Drehort für das Karl-May-Abenteuer Winetou III: «Der Häuptling hörte die Glocken von Santa Fe und ahnte Böses … Old Shatterhand galoppiert durch die engen Steinstraßen um seinem Blutsbruder das Leben zu retten … Der Ausgang der Geschichte ist bekannt … der weiße Bruder scheitert, der edle Häuptling beißt ins Gras und hält Einzug in die ewigen Jagdgründe!
Primošten (Bild), Rogoznica:
Zwei ehemalige Fischerdörfer an der adriatischen Küste. Das Fischen ist mit den Jahren aus der Mode gekommen, inzwischen bringt der Tourismus die Butter aufs Brot der eingeborenen Bevölkerung. Allerdings, anders als in Trogir ist in Primošten und Rogoznica der Vorhang schon gefallen. Die Rolläden sind heruntergelassen und wo sich in den Sommermonaten noch die Massen zwängten ist es an diesem Sonntag Nachmittag mucksmäuschenstill. Die Cafés leer bis geschlossen. Einzig die Bronze-Statue des einsamen «Fischers» muss an der Strandpromenade ausharren.
Zurück in Split:
Meine lieben «Goldies» horchen schon an der Matratze, als übriggebliebener «Oldie» nehm ich noch einen letzten Schluck im Bahnhofs-Resti «Ferata» am Hafen mit Blick auf die Fähr-Schiffernakeln.

ps: für «Selfies» sind die Hände zu kurz, darum zwei «Goldies» im Bild und ein «Oldie» bedient den Auslöser.

«Oldies but Goldies on Tour» (1): Split


Samstag, 20. Oktober

Diesmal ist es nicht der «Eiserne Vorhang», diesmal ist eine andere «Magical Mystery Reise» unter der Überschrift: «Oldies but Goldies on Tour»!
Zusammen sind wir 221 Jahre jung, alle drei noch grün hinter den Ohren mit großer Lust an berechenbaren Abenteuern. Berechenbar übersetzt ist gleich: Füße vertreten, Fischplatte essen, Erfrischungsgetränke kippen, Ausflüge in die nähe Umgebung, chillen, … Die großen Abenteuer haben wir bereits hinter uns, beziehungsweise stehen uns noch bevor … Die Akteure: Hermi (Tante), Karli (Onkel) und Mario (da Bua), gemeinsam sind wir ein unschlagbares, erprobtes (Reise)Team. In den nächsten Tagen gibt es «(unprofessionelle) Selfies & (semiprofessionelle) Kurznachrichten» von der Küste.
Split: Zweitgrößte Stadt Kroatiens, «Hauptstadt Dalmatiens» an der Adriaküste und der römische Kaiser Diokletian hat sich hier gleichermaßen verewigt als auch wohlgefühlt. In diesem Sinne: Leben wie die Kaiser!