Straßen in Arbeit, ein Schnupperspaziergang, und ein Ferienort in Warteschleife


5. Tag: Dienstag, 17. Juni 2025

Strecke: Sandomierz – Lublin – Okuninka

Streckenlänge: 208 km

Die eingeschlagene Route befindet sich gerade in Arbeit, über Umwege geht es in die größte polnische Stadt östlich der Weichsel. Ein Schnupperspaziergang durch Lublin: Ein bisschen Piłsudski (Józef, Militär, Politiker, Staatsmann), ein bisschen Kaczyński (Lech, Zwillingsbruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Jarosław, polnischer Präsident, starb bei einem Flugunfall), ein bisschen Johannes Paul (ll., Papst), ein bisschen Solidarność (Gewerkschaft, Revolution), ein bisschen Altstadt.

Die Landschaften wandeln sich, die Ortschaften werden spärlicher, auf Wiesen und Felder folgen ausgedehnte Waldgebiete. In Okuninka wird die Maschine ausgeschaltet. Die kleine Ortschaft am Białe See liegt unweit der Grenzen zur Ukraine und zu Weißrussland. Das kleine Ferienzentrum schläft noch und wartet sehnsüchtig auf den Beginn der großen Urlaubssaison. Der Seerundgang auf der Suche nach einer Labestation endet bei einem Pizza-Laden. Bei einer Flasche Rotwein am See, begleitet von Sonnenuntergang und Vogelgesang entgleitet der heutige Tag.

Ruhe nach dem Trubel, Hochzeiten am laufenden Band und ein Hoch auf die polnische Küche


4.Tag: Montag, 16. Juni 2025

Strecke: Krakau – Sandomierz

Streckenlänge: 167 km

Die Weichsel (Wisła) bleibt heute ständiger Reisebegleiter, auch wenn die Wege sich unterwegs kurzfristig trennen am Zielhafen wartet sie bereits mit stoischer Gelassenheit. Eine einzige Bundesstraße verbindet das pulsierende Krakau mit dem verschlafenen Sandomierz. Die Kleinstadt liegt auf einer Erhöhung über dem Fluss. Schulklassen durchkämmen den schmucken Altstadtkern und in den unzähligen Kirchen wird fleißig das Ja-Wort zum Bund der Ehe gesprochen. Am späteren Nachmittag ist der Spuk vorbei, die Gassen und Plätze leeren sich. 

Das Stadtzentrum überstand den 2. Weltkrieg weitgehend unbeschadet weil die deutschen Einheiten, gegen den Befehl, Angesichts der ausweglosen Situation, kapitulierten. Der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer gedachte der Stadt in seiner Novelle „Das Kloster bei Sendomir“. Den Abend veredelte ein weiteres Mal die wunderbare polnische Küche: Żurek (Sauermehlsuppe mit Ei- und Wursteinlage), Boršč (Rote-Rübe-Suppe mit Teigtascheneinlage), Bigos (Schmortopf mit Schweinefleisch und Sauerkraut), Placki z gulaszem (Kartoffelpuffer mit Gulasch).

Eine Stadt im Ausnahmezustand 


3. Tag: Sonntag, 15. Juni 2025

Strecke: Międzybrodzie Bialskie – Krakau

Streckenlänge: 76 km

Wie auf eine unsichtbare Schnur fädelt sich Dorf an Dorf, vom Stausee bis nach Krakau.

Die ehemalige Hauptstadt liegt pittoresk an der oberen Weichsel (Wisła). Direkt vor dem Wawelhügel mit der ehemaligen Residenz am Rücken biegt sich der Fluss um 90 Grad zu einem abgewinkelten Knie. Auf beiden Seiten des Ufers Rad-/Spazierwege und ganz viel Wiese. Sonnenanbeter_innen und Sportler_innen prägen das Blick. Ein Postkartenbild das Tausendschaften von Besucher_innen anzieht. Ganze Herden durchgrasen jeden Winkel der Innenstadt: Das jüdische Viertel, das Schloss, den Zentralen Hauptplatz mit seinen Tuchhallen, den grünen Gürtel rund um die Altstadt. Auf Pferdekutschen, offenen Elektromobilen, zu Fuß. Charme und Pracht verlieren ihre Reize, die schmucke Stadt verkommt zum Rummelplatz.

Eine Verschnaufpause bietet eine kleine Gaststätte außerhalb der Zirkusmeile. Auch viele Exilpolen bekämpfen hier ihr Heimweh mit traditioneller Küche und lokalen Erfrischungsgetränken … Ihre Geschichten aus der Ferne sind divers, beispielsweise Waldemar aus Florida pflegt seine amerikanische Coolness und verstört mit politischen Weisheiten. Aber das ist eine andere Geschichte …

Verschlafenes Ostrava, Lolek & Bolek und ein See in den Beskiden


2. Tag: Samstag, 14. Juni 2025

Strecke: Olmütz – Ostrava (CZ) – Bielsko-Biała (PL) – Międzybrodzie Bialskie

Streckenlänge: 190 km

Während die Karaoke-Sänger_innen noch vom kleinen Ruhm und großen Applaus träumen, kocht die Gold-Edelmischung am Gaskocher. Der Reiseeinstieg ist nach Wunsch verlaufen, die Erwartungen wachsen …

Der erste Zwischenstopp bleibt ein kurzer. Ostrava, die drittgrößte Stadt des Landes befindet sich wie schon beim letzten Besuch im Ruhemodus. Vereinzelt flanieren Besucher_innen über den zentralen Marktplatz des ehemaligen „Stahlherzens“ Tschechiens. Nach einem verspäteten Frühstück und dem unvermeidlichen Erinnerungsfoto wird der Motor wieder angeworfen. Der Grenzübertritt nach Polen ist fast unmerkbar, eine einsame Dorfstraße, ein kleines Schild mit einem goldgekrönten Adler auf rotem Grund, sonst nix … 

Der nächste Zwischenstopp ist in Bielsko-Biała. Eine Stippvisite bei Lolek und Bolek, den polnischen Comic-Helden, die sich auch in der ehemaligen DDR größter Beliebtheit erfreuten. In Bronze gegossen stehen sie vor einem großen Einkaufstempel. Die Shoppinghalle ist das eigentliche Ziel des Aufenthaltes, die mitgebrachten Euronen wollen in polnische Złoty verwandelt werden und alle zentralen Wechselstuben haben ihre Rollbalken bereits heruntergelassen.

Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung zur heutigen Endstation. Der Międzybrodzie Stausee liegt malerisch eingebettet im Gebirgszug der Kleinen Beskiden. In einem Selbstbedienungswirtshaus mit Seeblick wird der heutige Tag bei Erfrischungsgetränken verabschiedet.

Reisen im Rostimobil, kleine Wege und der Selfie Made King


1.Tag: Freitag, 13. Juni 2025

Strecke: Wien (A) – Břeclav (CZ) – Vyškov – Olmütz

Streckenlänge: 228 km

Die reisearme Zeit ist abgelaufen, Kraftstoff tanken und einmal der Schlüssel gedreht. Diesmal ist wieder das „Rostimobil“ (Vierrad mit Schlafgelegenheit und Korrosionsbefall) im Einsatz. Ziel der Ausfahrt ist die Ostsee samt Umgebung. Die Anfahrt dorthin ist noch unbestimmt und Launen abhängig. Reisedoktrin ist die Vermeidung breiter Verkehrsadern und so führen sanfte Wege durch Käffer, Dörfer, Kleinstädte, durch ruhige Landschaften, über kopfsteingepflasterte Nebenstraßen bis ans Tagesziel nach Olmütz (Olomouc). Die ehemalige mährische Hauptstadt hat außer übel riechenden Sauerkäse (Quargel) noch weitere Auffälligkeiten im Angebot: Östlich des Stadtzentrums drängt die March (Morawa) in Richtung Süden dem großen Schdrom (Donau) entgegen, die Innenstadt wird von einem zarten Bächlein flankiert. Im Herzen der Stadt ragt ein UNESCO-Denkmal, die zur Zeit verhängte Dreifaltigkeits-Säule in den Himmel. Ein Brunnenensemble drängt sich auf den beiden zentralen Plätzen der Stadt. Ein besonderes Schmankerl ist die ursprünglich mittelalterliche Turmuhr, die in der Kommunistischen Ära „realsozialistisch“ umgestaltet wurde: Hier regiert die Arbeiterklasse! Und auch der jüngliche Mozart hat in Olomouc Geschichte und seine 6. Symphonie geschrieben. Neuzeitige Kunst verwundert in der Denisova Straße, König Edward VII thront von der Wand mit einem Selfiestick in der Hand. Ein Werk des portugiesischen Graffitikünstlers Mr.Dheo. Zum König gesellte sich die Nobelpreisträgerin Marie Curie vom tschechischen Künstler Oliver Heller. Gegenüber des ungleichen Paars befindet sich die sich immer verändernde Lomená-Galerie-Passage. Zwischen den beiden Blickfängen fährt die Tramway …

Gespeist wird in einem Vorstadt-Wirtshaus ohne gedruckter Speisekarte. Die Gerichte sind mit Kreide an die Wand gemalt, in Landessprache selbstverständlich … Trotz Verständigungsproblemen wird ausgezeichnete tschechische Hausmannskost serviert. Der Karaoke-Abend am Campinggelände sorgt für Stimmung vor der Bettruhe.

Nachgereichtes Zielfoto, gemma ÖBB und eine Zusammenfassung


11. Tag: Freitag, 27. September 2024

Strecke: Triest – Wien (Zug)

Es war klug das Zielfoto gleich am Ankunftstab bei Kaiserwetter zu erledigen. Dank dem Fotokünstler aus Ulm!

Noch eine letzte Jause mit Blick aufs Meer, dann wartet der Bahnhof. Der von der ÖBB geführte Zug nimmt die selben Wege, die Rad und Fahrer noch vor wenigen Tagen in die Gegenrichtung befahren haben: Opicina (IT), Postojna (SLO), Ljubljana, Maribor, Spielfeld (A), dann trennen sich die Routen. Neu Stunden benötigt die Eisenbahn für fast die selbe Strecke …

Zusammenfassung:

Reisetage: 11

Länder: Österreich, Slowenien, Italien

Gefahrene Kilometer: 684 km (Netto-Kilometerangabe von der Triester Straße nach Triest/Adria, ohne Ausflüge und Stadtrundfahrten.)

Übernachtungen: 10 Zelt-Nächte

Vielen Dank für‘s Mitreisen und Mitfiebern! Nach der Reise ist vor der Reise, zur Auswahl stehen: Von der Venediger Au nach Venedig oder von der Lembergstraße nach Lwiw.

Alles Liebe & Dank

Mario

Locker treten, Prosecco in Prosecco und mit/ohne Plan durch die Stadt


10. Tag: Donnerstag, 26. September 2024

Strecke: Triest

Leichtes ausrollen/-treten für Rad und Fahrer, immer den Bergrücken entlang bis nach Prosecco auf ein gleichnamiges Erfrischungsgetränk. Der kleine Ausflug wird zur Genuss-Runde, in jeder Ortschaft einen Schluck und einen Happen. Nach Santa Croce geht es steil bergab an die Strada Costiera, vorbei am Castello di Miramare, zurück nach Triest. Am grünen Vorplatz der Stazione Centrale lagern die Gestrandeten, keine 300 Meter weiter am Canal Grande zerstreuen sich die Zugereisten bei Aperol Spritz. Die Hafenpromenade entlang, abgebogen in die Oberstadt, ohne Plan und trotzdem zielsicher. Einige Bars der Stadt beherbergen noch eine der berüchtigten „Schifahrer-Toiletten“. Letztendlich übernimmt wieder der öffentliche Bus die letzten Kilometer bis zur Bettstation.

Ein Hoch auf den Bobo-Porsche, weiße Pferde und das Ziel an der Adria


9. Tag: Mittwoch, 25. September 2024

Strecke: Postojna – Senožeče – Lokev – Lipica (SLO)  – Basovizza (IT) – Triest

Streckenlänge: 57 km (gesamt 684 km)

Auch heute Nacht brechen die Wolken, aber schon bei Tagesanbruch ist die Sonne wieder zurück, nur in den Berggipfeln sitzen noch die Wolken am Haupt.

Unterwegs gibt es immer wieder ungläubige Blicke auf den Drahtesel, verbunden mit der Frage: „Mit dem Rad?!“ Daraufhin hält der Fahrer eine Lobeshymne auf seinen Begleiter. Was wiederum zur Folge hat, dass die bekehrten Ungläubigen den Bobo-Porsche (Brompton Faltrad) mit Lob und Anerkennung überschütten.

Heute keine Pflicht, heute nur Kür! Die verbleibenden Kilometer zerrinnen voller Vorfreude am laufenden Band. Es blühen Blumen im Kopf, Gedanken und Ideen überschlagen sich. Kurz vor dem Landeswechsel noch ein kleiner Abstecher nach Lipica, zu den weißen Pferden (Foto). Jetzt sind es nur noch ein paar Umdrehungen bis zur letzten Grenzüberschreitung vor dem Ziel. Nach dem unkontrollierten Übertritt kurz nach den Zwölf-Uhr-Glocken ist vieles anders: die Architektur, die Gerüche und der Himmel ist in Italien immer um das gewisse Etwas blauer.

Der Campingplatz, benannt nach dem nahestehenden Obelisken liegt am Gipfel des triestinischen Hausberges, vom Camping-Wirtshaus fällt der Blick direkt auf‘s offene Meer. Auf Grund des Kaiserwetters wird schon heute die Hafenstadt, am Fuße des Berges, zum Zwecke eines Zielfotos (wird im finalen Blog nachgeliefert) besucht. Eine steile Abfahrt führt von der bergigen Ruhe in den ganz normalen, immer etwas chaotischen, italienischen Alltag. Am Hafen gibt es dann das wohlverdiente Erfrischungsgetränk. Die Rückreise zurück in die Berge erledigt der öffentliche Bus.

Ps: Der heutige Ohrwurm, eine Rio-Reiser-Perle: „Ich hab nix, du hast nix, komm lass uns d‘raus was machen!“

Wetterkapriolen, ein neuer Ohrwurm und ein Bett im Wald


8. Tag: Dienstag, 24. September 2024

Strecke: Ljubljana – Vrhnika – Logatec – Unec – Postojna

Streckenlänge: 58 km

Nach einer durchregneten Nacht, wandert das Zelt waschelnass in die Packtasche. Die Stadtausfahrt wird wieder auf Anhieb erwischt, aber schon bald kehrt der Regen zurück. Das Wetter ist heute äußerst wankelmütig. Und wieder quält Herr Ambros mit einem Ohrwurm, diesmal dafür sehr treffend: „I bin verwahrlost, oba i bin frei!“ Die Höhepunkte unterwegs geizen heute, es bleibt bei einer unspektakulären Zubringerstrecke von Bett zu Bett. Dieses steht heute nahe Postojna mitten im Wald. 

Schlangenlinien, fehlende Konversation und Jozip Broz hängt noch immer


7. Tag: Montag, 23. September 2024

Strecke: Vransko – Trojane – Domžale – Ljubljana

Streckenlänge: 48 km (gesamt 469 km)

War es noch vor einigen Tagen das Krähen der Hähne, sind es heute die Glocken der Kühe, die die Morgenstille durchbrechen.

Die Bundesstraße windet sich wie eine Schlange durch die von Bergwelten umgebenen Täler und schlängelt sich von einer auf die andere Seite unter der mächtigen Autobahn. Das große Asphaltband schneidet das Land in zwei annähernd gleiche Teile. Aus Ermangelung an Konversation wird alles, was sich bewegt und ein schlagendes Herz hat, angesprochen. Von der Raupe bis zur Kuh.

Am frühen Nachmittag überqueren die Räder die Save und rollen in Ljubljana ein. Wie immer kommt zuerst die Pflicht (Zeltaufbau), erst dann die Kür (Stadtflanerie). Eine einzige Straße verbindet die Schlafstadt mit dem Zentrum. Durch die Stadtmitte plätschert die Ljubljanica und die „Drei Brücken“ des Architekten Jože Plečnik sind Mittelpunkt, wie auch Wahrzeichen, der slowenischen Hauptstadt. Rundherum gruppieren sich Altstadt, Dom, Burg, …, und auch das alternative Kulturzentrum Metelkova. Die ehemalige Kaserne der Jugoslawischen Volksarmee wurde nach dem Slowenischen Unabhängigkeitskrieg besetzt und ist bis heute eine autonome Freizone. Inzwischen erleidet Metelkova das selbe Schicksal wie das Tacheles in Berlin (inzwischen abgerissen) oder die Freistadt Christiania in Kopenhagen, jeder Reisführer schreibt darüber und Tourist_innen überfluten die Subkultur.

In der etwas abgehalfterten Kneipe, wo das Union-Pivo noch zu erschwinglichen Preisen ausgeschenkt wird, hängt noch immer der Jugoslawische Held, Jozip Broz Tito, an der Theken-Wand. 

Zur Nahrungsaufnahme scheidet die schicke Innenstadt aus und wer die Bobo-Lokale meidet, landet in Veliko Hong Kong am Rande der Stadt.