Vorlaute Kröten, ein Tag am Schdrom und alles anders


  1. Tag: Donnerstag, 22. Juni 2023

Strecke: Bela Crkva (SRB) – Moldova Veche (RO) – Dubova – Eșelnița – Orșova – Kladovo (SRB) – Negotin – Widin (BG) – Belogradtschik

Streckenlänge: 343 km (gesamt 1.126 km)

Der Kröten haben die Nacht fast durchgebalzt, erst in den frühen Morgenstunden halten sie ihre Mäuler.
Bela Crkva hat sich herausgeputzt und feiert einen mehrtägigen Karneval, doch zum Verweilen ist das Zeitkorsett zu eng. Eine einsame Landstraße führt vorbei am Wein zur rumänischen Grenze und nach einer kurzen Berg-Etappe ist er wieder zurück, der Schdrom. Eine über weite Strecken einsame Straße begleitet ihn, dazwischen drängen sich mit Zelten und Schirmen bestens ausgestattete Fischfänger. Die Donau als Grenzfluss. Auf serbischer Seite drängt sich die Burg Golubac ins Bild, bei Dubova wird der breite Schdrom zum Nadelöhr und auf rumänischer Seite wartet der in Stein gemeißelte Kopf des Drakerkönigs Decebalus auf Besucher_innen. Aus einem geplanten Badetag am Fluss, wird unerwartet ein Reisetag, das Wetter spinnt gerade. Ab Orșova bis zum Kraftwerk Eisernes Tor 1 zwängt sich der Schwerverkehr ins Geschehen. Noch einmal über die Grenze zurück nach Serbien. Bei Kladovo ein vorerst letzter Kontakt mit dem Schdrom und bei Negotin wartet schon der nächste Grenzübertritt. In Belogradtschik ragen außergewöhnliche Steinformationen in den Himmel, jetzt ist der Weg zu Körperpflege, Schlafplatz und einem ausgedehnten Abendmahl nicht mehr weit!

Donaustimmungen, Wettersturz und Fisch in großen Töpfen


  1. Tag: Samstag, 28. Mai

Strecke: Eșelnița – Moldova Veche (RO) – Bela Crkva (SRB) – Pančevo – Bezdan

Streckenlänge: 428 km

Ab Eșelnița geht es immer den Schdrom entlang, gelassen und isoliert rollt das Automobil stromaufwärts durch das Donautal: Der Nationalpark Eisernes Tor, ein in Stein gemeisselter Königskopf, auf serbischer Seite die Festung Golubac und immer lockt der Fluss, stellenweise felsig eingerahmt schlank, anderenorts weitläufig wie ein See …
Nur das Wetter ist launig und entscheidet sich auf Umschwung, lässt die Temperatur stürzen und schickt Regen. Ab dem rumänisch-serbischen Grenzübertritt ist es vorbei mit der Poesie, ab jetzt zählt nur noch die Kilometerleistung. Quer durchs Land bis in den letzten serbischen Winkel, natürlich auch dieser am Schdrom. Die Čarda Pikec bei Bezdan ist ein Sehnsuchtsort und Start- oder Endpunkt jeder Balkanreise. Direkt am Wasser wird Pörkölt in großen Töpfen serviert, die Spezialität des Hauses, eine Art Fischgulasch mit Filetstücken vom Karpfen, Hecht, Wels oder Zander. Donauschiffe ziehen vorbei und dem letzten Reisetag geht das Licht aus …

Eine Klangwolke, eine Blechschlange und Luxus am Schdrom


  1. Tag: Freitag, 27. Mai

Strecke: Belogradtschik – Widin (BG) – Calafat (RO) – Drobeta Turnu Severin – Orșova – Eșelnița

Streckenlänge: 205 km

In der Nacht machen sich die Kröten wichtig, dazu gesellt sich ein seltsamer Vogel, stellenweise die Hunde aus der Nachbarschaft und alle Stimmen vermischen sich zu einer herausfordernden Klangwolke. Die Heimreise drängt sich auf. Bei Widin im nordwestlichsten Zipfel Bulgariens, im Dreiländereck Bulgarien-Rumänien-Serbien spannt sich die Brücke „Neues Europa“, vom bulgarischen ans rumänische Ufer über die Donau. Schon kilometerlang vor der Überfahrt staut sich der Schwerverkehr zu einer überdimensionalen Schlange. Auf rumänischer Seite nimmt das Blechreptil neben der Hafenstadt Calafat noch zwei weitere Kleinstädte für sich ein. Bei Orșova beruhigt sich das Verkehrstumult und ab Eșelnița herrscht wieder Ruhe am Schdrom. Inzwischen stehen am gegenüberliegenden Ufer serbische Häuser, eine wunderbare Pension am Wasser gibt Obdach und die Aussicht auf ein wenig Luxus: Balkon mit Aussicht, Sonnensegel, Liegen, Gaumenfreuden …

Mann auf Straße, Erste Hilfe und ein unfreiwilliger Zwischenstopp


  1. Tag: Sonntag, 22. Mai

Strecke: Rasova (Ru) – Silistra (BG)

Streckenlänge: 79 km

Weiter die Donau entlang, gegen den Schdrom. Kurz vor der rumänisch/bulgarischen Grenze liegt ein Mann, breit ausgebreitet, knapp neben der Fahrbahn. Tot? Erste Hilfe und ein Malheur: Automobil geparkt. Mann in Augenschein genommen. Lebt. Schläft sich den Rausch aus. Zurück zum Automobil. Springt nicht mehr an! Das ursprüngliche Ziel, das Balkangebirge, rückt in weite Ferne …
Der weitere Verlauf: Grenzverhandlungen. Sprachbarrieren. Automobile Fachgespräche. … Der Grenzübertritt erfolgt im Abschleppwagen, das eigene Automobil am Rücken. Sonntag ist ein dummer Tag, alle Werkstätten haben geschlossen. Ein Erfrischungsgetränk beruhigt die Nerven. Es werden noch weitere, eine Einladung in eine Gartenhütte mit Donau-Blick wird freudig angenommen, bulgarische Gastlichkeit, der Rest ist Geschichte …

Das Schwarze Meer, verhüllter Jugendstil und das Leben am Schdrom


  1. Tag: Samstag, 21. Mai

Strecke: Tulcea – Babadag – Constanța – Cernavodă – Rasova

Streckenlänge: 227 km

Eine Boots-Tour ins Delta geht sich nicht aus, es mangelt an ausflugswilligen Besucher_innen. Stattdessen ein kurzer Abstecher, liegt am Weg, ans Schwarze Meer. Wie schon in Tulca ist auch Constanța in Arbeit. Das historische Jugendstil-Casino direkt an der Strandpromenade ist züchtig verhülllt. Was immer funktioniert ist die Gastronomie, am Touristik-Hafen drängen sich die Lokale genauso wie die Gäste. Nichts wie zurück zum Schdrom! Ab Cernavodă kehrt Ruhe ein, der motorisierte Verkehr zieht sich zurück und die Pferdefuhrwerke übernehmen wieder die Straße. Schildkröten queren, Störche naschen am Straßenrand und alles was sonst noch vier Beine hat, bewegt sich kreuz und quer zur Fahrtrichtung. In der Hügellandschaft nahe der Donau wächst der Wein.
In Rasova, vom Tschocherl „Teras La Radu“ aus, lässt sich die Szenerie hautnah beobachten: Badende Kinder, ausdauernde Angler, brav Trabende und durchgehende Pferde, … Am Ortsrand, den Schdrom in greifweite, wird das Mobilheim aufgebaut: Frachtschiffe quälen sich flussaufwärts und gleiten flussabwärts, Straßenhunde fressen dankbar die Brotreste und die Instant-Pasta vom Gaskocher schmeckt, dem Ausblick verschuldet, wie beim Italiener!

Heimwerkerrampen, ein Wiedersehen mit dem Schdrom und Tulcea in Arbeit


  1. Tag: Donnerstag, 19. Mai

Strecke: Chișinău – Hîncești – Cahul (MD) – Galați (RU) – Tulcea

Streckenlänge: 313 km

Raus aus der Stadt, zurück zur Gelassenheit, zurück auf einsame Pisten. Ein weiteres moldawisches Kuriosum, neben den zahlreichen Autowerkstätten gibt es öffentliche Steinrampen für Heimwerker: Rauf auf die Plattform mit dem Vehikel und Werkzeug frei!
Viel Gegend auf dem Weg Richtung Galați, eine unaufgeregte pittoreske Landschaft soweit das Blickfeld reicht. In der rumänischen Hafenstadt Galați gibt es ein Wiedersehen mit dem Schdrom. Eine Autofähre schifft kleine und große Brummer über die Donau. Am anderen Ufer angekommen ist es nicht mehr weit nach Tulcea, der Pforte zum Donaudelta. Eine Hafenstadt in Arbeit, die Uferpromenade wird gerade neu gestaltet. Das bunte Treiben am Kai ist verschwunden, ebenso wie die unzähligen Schiffe an den Anlegestellen, alles Baustelle. Trotz allem, Tulca hat Charme, vom Unabhängigkeitsdenkmal auf einem Hügel schweift der Blick über die Stadt, bis ins Delta und am Horizont bis in den südlichsten Teil der Ukraine.
Ein liebevoll betriebener Campingplatz sowie Ivans Fish-Bar lassen den Tag reizvoll ausklingen. Sowohl der Hecht als auch der Zander, darüber hinaus der Cuvee und der Pálinka – eine Wucht!

Hoch die Fahnen, ein Hoch auf Iași und Hoch lebe die Gastfreundschaft


  1. Tag: Dienstag, 17. Mai

Strecke: Suceava – Botoșani – Iași

Streckenlänge: 151 km

Was auffällt, die Rumän_innen lieben ihre Flagge, ob in den Dörfern oder in der Stadt, überall weht die Tricolore – Blau-Gelb-Rot. Von offiziellen Gebäuden, von Häuserfassaden oder in Wimpelform quer über die Straße. Die Kleinstadt Botoșani ist leergefegt, nur am lokalen Markt ist Bewegung. Hausgemachte Produkte wiederbefüllt in Pet-Flaschen und Rex-Gläser vertrauter Hersteller. Gartenprodukte neben China-Ware und jede Menge Blumenläden, neben den frischen Schnittblumen türmen sich Grabgestecke aus Vollplastik. Von Botoșani nach Iași sorgt eine kilometerlange Baustelle für schlechte Laune, später breitet sich eine sanft hügelige Landschaft aus und beruhigt das Gemüt. Felder bis zum Horizont, malerische Dörfer mit freilaufendem Federvieh, den Schafen, Rindern und Pferden gehören die noch saftigen Wiesen.
Iași die einstige Hauptstadt des Fürstentums Moldau liegt eingebettet zwischen sieben Hügel. Während des Ersten Weltkrieges war Iași provisorische Hauptstadt Rumäniens. Es wird ein freundlicher Empfang, ein schmucker Stadtkern und auch ein „Stammbeisl“ ist gleich gefunden. Hier treffen jung und alt, Trinker und Student_innen zusammen, eine Oase an einem heißen Tag.
Nach dem verpflichtenden Zentrumsrundgang zerstreut eine Stadtausfahrt mit der Tram. Die Wahl fällt zufällig auf die Linie 7, eine alte Garnitur mit Stoffsitzen. Die Historie ziert das Zentrum, kurz außerhalb verschwindet der Chic und es dominieren die Plattenbausiedlungen realsozialistischer Bauart. Verstreut einige Supermärkte, Kioske, Spielhallen und an jeder zweiten Kreuzung eine Autowerkstatt. Der Hunger treibt zurück ins Zentrum und als Schlummertrunk wartet ein Achterl Pálinka. Den Obstbrand spendiert ein junger Student, Gastfreundschaft steht in Rumänien ganz oben auf der Liste!

Eine Bärenfährte, ein Weltkulturerbe und von Hühnern umzingelt


  1. Tag: Montag, 16. Mai

Strecke: Gura Lalei – Sucevița – Suceava

Streckenlänge: 164 km

Es bringt Frohsinn, wenn die wärmende Sonne hinter dem Berggipfel auftaucht. Frühstück auf der Alm mit anschließendem Geschirrabwasch im Bach. Auf der Spur des Bären führt der Weg zurück zum Ausgangspunkt. Auf den Nebenstraßen mischt sich ein weiterer Teilnehmer ins Verkehrsgeschehen ein, das Pferdefuhrwerk. Zwei Pässe und ein Weltkulturerbe weiter, das Moldaukloster Sucevița, landet das Automobil auf einer unbefestigten Straße mitten am Dorfplatz, umringt von noch lebendigem Hühnerfleisch. Vom versprochenen Campingplatz keine Spur, also doch wieder ein gemachtes Bett in der Kreishauptstadt Suceava.

Kirchgang, Einserpanier und ein Wandertag mit Hindernissen


  1. Tag: Sonntag, 15. Mai

Strecke: Sighetu Marmației – Bârsana – Borșa – Gura Lalei

Streckenlänge: 120 km
Wanderung: 4 h

Sonntag ist Kirchtag, aus allen Ecken strömen fromme Menschen in Richtung Bethaus. Dem Schöpfer zu Ehren, alle in der Einserpanier: Die Frauen tragen Faltenrock, weiße Bluse und Kopftuch, Rock und Kopftuch sind farblich ident, von bunt gemustert bis einfärbig schwarz. Die Männer treiben weniger Aufwand, die meisten kombinieren schwarze Hose, weißes Hemd und ein pelziges Gilet. Ob Stadt, ob Dorf, ob jung, ob alt, alle sind unterwegs, so auch im Mănăstirea Bârsana.
Der Gottesdienst wird im Freien abgehalten, ein Engelsgesang aus Frauenstimmen begleitet die orthodoxe Liturgie. Der Kreis Maramureș ist auch bekannt für seine zahlreichen Holzkirchen, das Resultat eines Verbotes orthodoxe Kirchen aus Stein zu errichten. Die Holzkirchen-Dörfer-Tour führt hinein ins Rodna-Gebirge, das Ziel ist der Lacul Lala Mare, einer von 28 Gletscherseen im Nationalpark. Immer der reissenden Lala entlang, bis zum See. Haus und Küche werden im Rucksack verstaut, der Einstieg in die „einfach“ beschriebene Route verläuft nach Plan. Eine Forststraße, immer zart bergauf. Die Tücken liegen im Detail: unzählige entwurzelte Bäume versperren den Weg, die Schneeschmelze macht den Fußweg zum Rinnsal und später auf schattigen Waldpfaden liegt noch tiefer Schnee. Eineinhalb Kilometer vor dem Ziel bleibt der erste alpine Ausflug der Reise im Schnee stecken. Rückzug mit Gepäck, auf einer Wiese gespickt mit Krokusblumen wird das Mobilheim errichtet, Bärenspuren ignoriert, das Nudelwasser aus dem Bach geschöpft und eine Fertig-Pasta zubereitet. Für ein Flascherl Rotwein war auch noch Platz im Rucksack …