Mit Öffis durch die Stadt, der Prenzlauer Berg von Istanbul und Aufregung bis zum Schluss!


  1. Tag: Sonntag, 3. Oktober

Strecke: Istanbul

Streckenlänge: Stadtflanerie

Sonntag morgen, die Metropole hat den vergangenen Tag verdaut, die Hölle schläft noch. Mit der Straßenbahn zum Bosporushafen, mit dem Fähre nach Beşiktaş und einen Kontinent weiter nach Üsküdar auf den asiatischen Teil der Stadt. Tee trinken, die Promenade entlang, noch einen Tee und zurück ins Abendland. Die Hügel von Beşiktaş rauf und runter. Inzwischen ist die Stadt wieder munter, mit ihr auch alle 15 Millionen Menschen. Istanbul hat viele Gesichter, Beşiktaş zeigt sein lebendigstes, der Prenzlauer Berg von Istanbul. Die Jugend verschwendet sich in den Gassen und ihren Cafes. Durch den Gezi-Park, über den Taksim-Platz zur İstiklal Caddesi. Menschentrauben hängen an der Nostalgiestraßenbahn inmitten der Haupteinkaufsstraße. Das 360-Grad-Restaurant bietet teuren Wein und den besten Rundumblick, inklusive allen Attraktionen der Stadt. Zurück am Wasser, in einer Nussschale schwimmend, rüber über das Goldene Horn und mit der Staßenbahnlinie T1 zurück zum Hotel. Beim letzten Abendessen in Fatih stoppt ein Polizeieinsatz eine Schießerei. Istanbul bleibt aufregend!

Durch die Hölle, alles Bazaar und Entspannung am Bosporus


  1. Tag: Samstag, 2. Oktober

Strecke: Edirne – Istanbul

Streckenlänge: 236 km

Im Frühstücksraum randaliert eine Einkaufsgesellschaft bestehend aus einer Busladung griechischer Pensionistinnen.
Die vorherrschende Wetterlage bestimmt den Zielhafen, der Sonne entgegen, auf zum Goldenen Horn! Eine Schnellstraße teilt die karge, hügelige Landschaft zwischen Edirne und Istanbul, die Verkehrssituation ist entspannt. Mit Annäherung an die Megacity ändert sich das Bild, aus der farblosen Umgebung wachsen unzählige Schlafburgen in den Himmel, Konsumpaläste schließen sich an, eine Skyline des Grauens. Das Verkehrsaufkommen nimmt rapide zu bis alles steht. Im Schritttempo geht es von den Trabantenstädten ins erweiterterte Zentrum. Straßensperren verhindern eine Ankunft im angepeilten Hotel. Die Lage ist aussichtlos, mitten im Großraumbazaar von Fatih herrscht absoluter Stillstand. Kein Bett in Sicht, es gibt kein vor und kein zurück und auch die Regenwolken haben uns eingeholt. Für die Bewältigung der letzten acht Kilometer bis zu einer rettenden Parkgarage samt naheliegenden Zimmer verpuffen ganze vier Stunden …
Die Dimension Metropolregion Istanbul ist schwindelerregend, 15 Millionen Einwohner_innen drängen sich auf 5.000 Quadratkilometern.
Nachdem Fahrzeug und Gepäck versorgt sind beginnt der Wahnsinn auf‘s neue, diesmal zu Fuß, fünf der fünfzehn Millionen Menschen haben den gleichen Weg, alle wollen runter zum Fluss. Die Umstände entspannen sich bei einem Erfrischungsgetränk auf der Galatabrücke: Boote aus allen Richtungen schaukeln von Ufer zu Ufer, die Gebetstürme färben sich künstlich in der Dämmerung und die Angelschnüre der Bosporusfischer zittern vor den erschöpften Augen.

Ein Kurzbesuch, Grenzkalamitäten und türkische Kopfhaarpflege


  1. Tag: Freitag, 1. Oktober

Strecke: Plovdiv – Dimitrowgrad (BUL) – Edirne (TR)

Streckenlänge: 186 km

Ein Ruhetag in Plovdiv ohne Ruhe und weiter geht die Reise. Eine Fernstraße führt Richtung Marmarameer, als Zwischenstopp noch ein Kurzbesuch bei Genossen Georgi Dimitroff, diesmal in Bulgarien.
Das bulgarische Dimitrowgrad wurde als erste sozialistische Musterstadt in Bulgarien konzipiert und ab 1947 aus dem Boden gestampft. Erinnerungen an den strammen Kommunisten und ehemaligen bulgarischen Ministerpräsidenten sind inzwischen aus dem Stadtbild verschwunden. Eine Planstadt mit einem breiten Boulevard, nur der einstige Glanz ist mit dem Jahren abgebröckelt.
Zurück am grauen Band wartet bald die bulgarisch-türkische Grenze. Alle Papiere bei der Hand, liegt das Problem bei der mitgeführten Versicherungskarte. Die Türkei, sprich das Kasterl mit «TR» ist ausgestrichen, somit nicht versichert. Anstellen um eine Versicherung, anstellen um einen Stempel, …, die türkischen Beamten haben alle Zeit der Welt.
Nach dem Müßiggang in Dimitrowgrad, nach dem Stillstand an der Grenze, zeigt sich in Edirne ein ganz anderes Bild: Alles dreht sich, alles bewegt sich. Eine Moschee reiht sich an die nächste, mit Menschen gefüllte Füßgängerzonen, Bazaare, gut besuchte Teehäuser, laut hupender Straßenverkehr und über allem brüllt der Muezzin.
Wie schon beim letzten Besuch in Edirne wird auch diesmal Gesichts- und Kopfbehaarung stylisch in Form gebracht.

Der Muezzin ruft, Gegenwind und was endlich einmal gesagt werden muss


25. Tag, Dienstag 05. Juli

Strecke: Edirne – Inece – Kirklareli (Karte)

Streckenlänge: 67 km      Fahrzeit: 4 h 33 min

Schwer überfordert! So viele Kulturen in so kurzer Zeit. Gestern beim Abendessen (Hühnerleber, eine Spezialität) hat mich der Muezzin erschreckt. Punkt 21 Uhr. Sehr laut! Viele Gastarbeiter sind zur Zeit auf Heimaturlaub. Am Nachbartisch, die Jugend unterhält sich auf Deutsch, die Eltern sprechen mit der Verwandtschaft Türkisch. Auch mein gestriger Friseur arbeitet in Deutschland, macht gerade Urlaub bei seiner Familie und hilft im Laden eines Freundes aus. Sozusagen eine Haar- und Bartkorrektur im Pfusch.
Heute sollte es eine Spazierfahrt werden. Fast. Das Herausfinden aus der Stadt war eine Aufgabe für Fortgeschrittene. Die Straße immer leicht hügelig, der Belag bekömmlich, meine Freund_innen die Wolken haben die gelbe Sau perfekt abgedeckt, aber der Gegenwind! Gute 60 Kilometer Gegenwind. Er hat die vermeintliche Spazierfahrt zur Tortur werden lassen. Durchschnittsgeschwindigkeit unter 15 km/h. Der schlechteste Wert seit Beginn der Reise! Wurscht, ich bin gut angekommen.
Und was ich schon lange berichten wollte. Ein Hoch auf die Mini-Märkte! ABC-Markt, Magazin Mixt, Mini-Market, … oder wie auch immer. Fast jedes Dorf besitzt so einen Mikro-Laden, wo es von Wasser und Brot bis zum Waschmittel die wichtigsten Gegenstände des täglichen Lebens zu erwerben gibt. Ab dem Grenzübergang Berg (A/SK) ist das ganz selbstverständlich. Solche Greißler, die aus dem heimischen Alltag komplett verschwunden sind, sind für die/den Reisende(n) von unschätzbarer Bedeutung. Diese Läden sind multifunktional ausgestattet und in manchen Dörfern der einzige Treffpunkt. Praktisch Wirtshaus, Trafik, Lebensmittelmarkt und Sozialamt in einem. Tagtägliche Lebenshilfe, also wirkliche Super-Märkte!
Zurück ins Heute, auch wenn die türkischen Mini-Märkte für meine Bedürfnisse nicht ausreichend sortiert sind – trotzdem großartig! Wunderbarer Cay und möglicherweise ganz tolle Geschichten, nur verstanden hab ich sie nicht.

Flachland auf Bergland, Grenze auf Grenze, große Stadt auf kleine Stadt


24. Tag, Montag 04. Juli

Strecke: Ivajlovgrad (BG) – Kyprinos (GR) – Rizia – Kastanies – Edirne (TR) (Karte)

Streckenlänge: 44 km      Fahrzeit: 2 h 26 min

Eine kleine Spritztour sollte es heute werden. Trotzdem ist viel passiert. Zwei Grenzübertritte. Aufs Bergland der vergangenen Tage folgt Flachland. Brettleben geht es durch Griechenland. Felder, Sonnenblumen, kleine Dörfer, nette Menschen, dennoch blieb es bei einem Kurz-Gastspiel, schon wartet die nächste Grenze. Bewaffnete Grenzsoldaten sowohl auf griechischer als auch auf türkischer Seite. Eine alte Geschichte. Auf das verschlafene Ivajlovgrad und die griechische Landidylle folgt das pulsierende Edirne. Viele Menschen, viele Moscheen, ein Bazar nach dem anderen, viel Verkehr, viel Lärm. Sonne und Gewitter wechseln sich ab. Und jetzt ist es an der Zeit, der Pelz im Gesicht muss weg, ein türkischer Friseur muss her. Voilà!
Das Blog-Schreiben gestaltet sich mühsam, ständig werde ich zum Tee trinken eingeladen. Vier Einladungen habe ich schon hinter mir. Zum Thema Trinken. Die Getränkekarte hat sich radikal verändert, auf der Liste stehen Cay und Ayran ganz oben. Zum Wohl.